Wappenneustiftung

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Jochen
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Jochen » 15.03.2020, 18:41

Es ist eigentlich kein Hexenwerk, es gibt - wie überall - bei der Eintragung in eine Wappenrolle einen Ermessensspielraum. Wir sind ja keine Rechenmaschinen.

Farbkonflikte werden zwar stets kritisch gesehen, können in Einzelfällen aber toleriert/akzeptiert werden (beispielsweise bei unvermeidbarem Konflikt wie einer Göpelteilung).

Die Helmdecke muß nicht unbedingt metallen gefüttert sein. Allerdings sind Ausnahmen hier wirklich äußerst selten.

Der Stifter ist Herr des Verfahrens, das Wappen muß seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Oder anders ausgedrückt: Der Stifter ist derjenige, der mit seinem Wappen leben muß.

Wenn ein Wappen beispielsweise alle sechs heraldischen Tinkturen enthält, aber ansonsten den heraldischen Regeln entspricht, wird es halt eingetragen (in der Regel wird aber noch mal nachgehakt, ob nicht eine schlichtere Variante auch gefiele).
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Tejas552
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 15.03.2020, 18:55

Jochen hat geschrieben:
15.03.2020, 18:41
Es ist eigentlich kein Hexenwerk, es gibt - wie überall - bei der Eintragung in eine Wappenrolle einen Ermessensspielraum. Wir sind ja keine Rechenmaschinen.
Hallo Jochen

ganz konkret, würde man beim Herold, Kleeblatt oder Wappenlöwe ein neues Wappen eintragen, bei dem der Schild rot-weiss und die Decken grün-weiss sind? Nehmen wir mal an alles gute Zureden ist bereits geschehen und der Stifter beharrt auf genau dieser Farbkombination.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Jochen
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Jochen » 15.03.2020, 19:08

Hallo Dirk,

ich habe in der Gesamtausgabe des Kleeblattes geblättert und solche Fälle in der jüngeren Geschichte durchaus ausfindig gemacht.

Für meine Amtsbrüder kann ich nicht reden - es gibt derzeit auch keine entsprechenden Anträge. Persönlich würde ich jedenfalls nicht dagegen stimmen. Warum auch? Es gibt zahlreiche historische Vorbilder, es herrscht kein Verstoß gegen heraldische Regeln vor, und die Berliner Erklärung schweigt sich dazu aus. Sie besagt: "Unter- und Oberwappen müssen zeitlich und stilistisch zu einander passen; sie sollten eine künstlerische Einheit bilden." Das würde der Jurist eine "Generalklausel" nennen.

Bei einer Wappenberatung würde ich allerdings schon davon abraten. Durchaus intensiv, aber siehe oben, der Wappenstifter muß letztlich mit seinem Wappen leben.
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Rheinländer_
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Rheinländer_ » 15.03.2020, 19:53

Das liest sich ehrlicherweise so, als ob es maximal empfehlenden Charakter hat. Aber ich glaube, dass alle wissen wie und was gemeint ist. Zur allgemeinen Beruhigung kann ich mitteilen, dass diese Variante nicht die favorisierte ist.
Nachtrag:
Bezieht sich auf diese Aussage
Bernhard Peter schreibt dazu:
"Es wird allgemein für angemessen empfunden, wenn die Helmdecke die Hauptfarbe und das Hauptmetall des Schildes wiederholt. ....
Zuletzt geändert von Rheinländer_ am 15.03.2020, 20:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 15.03.2020, 19:57

Jochen hat geschrieben:
15.03.2020, 19:08


Für meine Amtsbrüder kann ich nicht reden - ....
Hallo Jochen

danke für die Einschätzung. Darf ich fragen bei welcher Wappenrolle Du amtest (wie man in der Schweiz sagen würde?

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Jochen » 15.03.2020, 22:47

Tejas552 hat geschrieben:
15.03.2020, 19:57
... Darf ich fragen bei welcher Wappenrolle Du amtest (wie man in der Schweiz sagen würde?
Hallo Dirk, "amten" ist ein sehr schöner Ausdruck. "Amt" ist auch ein schönes altes Wort, das uns, glaube ich, die Kelten geschenkt haben...

Klar, darfst Du. Beim Kleeblatt.

Ich betone auch, daß ich meine - wenn auch fundierte, wie ich denke - Privatmeinung vertreten habe und nicht fürs Kleeblatt spreche.

Ich bin im übrigen recht sicher, daß, wenn man die Eintragungen der "großen Drei" über die Jahrzehnte auswerten würde, aufflutende und abebbende Tendenzen beobachten können würde.

Wie gesagt, wir sind Gutachter und keine Rechenmaschinen.
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Jochen » 15.03.2020, 22:50

Rheinländer_ hat geschrieben:
15.03.2020, 19:53

Bernhard Peter schreibt dazu:
"Es wird allgemein für angemessen empfunden, wenn die Helmdecke die Hauptfarbe und das Hauptmetall des Schildes wiederholt. ....
Ja, das liefert in aller Regel auch wirklich das harmonischste Ergebnis. Dem stimme ich uneingeschränkt zu.

Aber Harmonie ist halt nicht für jeden Stifter das Ziel ... :wink: :wink: :wink:
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 16.03.2020, 09:01

Rheinländer_ hat geschrieben:
15.03.2020, 14:13

Jedenfalls ist die eine Idee, auf die berufsbezogene Helmzier zu verzichten und auf Büffelhörner zu gehen (ggf. mit Wiederholung der Hauptfigur) oder einfach nur und ganz neutral von einem Mann….zu sprechen. Aber egal, genug abgeschweift. Mit der Helmzier sind wir noch nicht durch.
Ich möchte einen Punkt zur Helmzier nochmal aufgreifen, der zuvor vielleicht etwas untergegangen ist. Ich habe den Eindruck, dass man sich bei der Gestaltung der Helmzier den "Idealzustand" zumindest ins Gedächtnis rufen sollte, ohne das man sich natürlich immer und vollständig daran halten muss.

Nach meinem Verständnis dient die Helmzier dazu den Schild zu komplementieren. So stehen Schirmbretter, Kissen, Flüge, Hörner und Hüte für sich genommen eigentlich für nichts. Sie sind nur Projektionsflächen um das Hauptelement und die Tinkturen des Schildes zu wiederholen. Die Helmzier sollte daher idealerweise keine neue Symbolik ins Wappen bringen. Wie gesagt, dies ist nur meine Auffassung zur "idealen Helmzier" - mir ist klar, dass von diesem Idealzustand (so oder so ähnlich nennt es Bernhard Peter) regelmässig abgewichen wird.

Von daher ja, die Büffelhörner in den Tinkturen des Schildes, dazwischen vielleicht nochmal ein Löffel; dies wäre eine Überlegung wert.

Hier mal ein Beispiel aus der eigenen Familiengeschichte. Meine Ur-Ur-Urgrossmutter hiess Alexandra v. Böttiger. Das Wappen ist hier zu sehen.
https://www.faltin-ahnenforschung.com/u ... i-hermann/

Der Schild zeigten einen Böttcher und die Helmzier wiederholt den Böttcher. Ganz simple ohne viele Schnörkel. Was nicht so gut ist, man hätte den Böttcher pars pro toto durch sein Werkzeug symbolisieren sollen. Auch das gilt als idealerer Ansatz. Aber das Wappen stammt aus der Zeit der Kanzelei-Heraldik (18. Jh.) und nicht aus der Turnier- oder gar der Kriegsheraldik.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Rheinländer_ » 16.03.2020, 10:48

Die Auffassung kann ich gut nachvollziehen. So gesehen sollte sich dann doch eigentlich sogar nur der Schildinhalt auf dem Helm wiederfinden...also grundsätzlich sogar ohne Hörner, Geweih, usw. (ausgenommen nicht greifbare Figuren, die eben nicht "ohne Hilfe" im Sinne einer zuvor genannten Projektionsfläche oder Halterung auskommen wie ein Stern, Fluß, Zinnenbalken, Heroldbilder...). Jetzt nur so als gedanklicher Ansatz...
Mir persönlich wäre es allerdings ein wenig zu wenig, wenn nur die gekreuzten Löffel auf dem Helm rumstehen würden. Sicherlich wäre ein Kessel, ein gestürzter Kesselrinken, ein Kesselhaken oder gar ein Koch nach der benannten Auffassung das richtige Mittel für ein redendes Wappen. Das wäre dann zwar ein verstärkender Hinweis auf den Namen, aber dann wiederum eine neue Symbolik....und vermutlich nicht raumfüllend genug.

Aber ein Wappen ist für meinen Geschmack eben irgendwie auch ein "Aushängeschild". Und das soll ja bekanntlich "schön" aussehen (und idealerweise dann auch ästhetisch wirken). Ob der Löffelhalter nun ein Mann wird oder Büffelhörner als Halterung für den Löffel fungieren oder mich noch eine andere Idee ereilt, wird sich zeigen.

Schildinhalt steht jedenfalls. Rest folgt noch. Wie gesagt, müssen wir uns mit der Helmzier nochmals befassen.

Danke für die Hinweise.

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Gerd » 16.03.2020, 11:05

Hallo,

was mir dazu eingefallen ist, wären besagte Büffelhörner in silberner Tingierung belegt mit grünen Hermelinschwänzen und dazwischen ein aufgerichteter Kochlöffel. Da hätte man sogar den Schildinhalt mit den Farben in der Zier.
Nur mal so als Idee in den Raum gestellt.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 16.03.2020, 11:55

Rheinländer_ hat geschrieben:
16.03.2020, 10:48
…. So gesehen sollte sich dann doch eigentlich sogar nur der Schildinhalt auf dem Helm wiederfinden...also grundsätzlich sogar ohne Hörner, Geweih, usw. (ausgenommen nicht greifbare Figuren, die eben nicht "ohne Hilfe" im Sinne einer zuvor genannten Projektionsfläche oder Halterung auskommen wie ein Stern, Fluß, Zinnenbalken, Heroldbilder...).
Wie mein Beispiel mit der Familie v. Böttiger zeigt, hat man das durchaus gemacht, also einfach den Schildinhalt auf dem Helm wiederholt. Aber das Wappen soll ja auch gefallen. Man kann die komplementierende Funktion des Oberwappens auch als amplifizierende Funktion verstehen. Wem die Wiederholung der Kochlöffel auf dem Helm zu schlicht oder langweilig ist, der kann deren Kombination mit Büffelhörnern als verstärkende Wirkung betrachten. Es geht mehr darum, dass man mit der Helmzier nicht eine ganz neue Geschichte erzählt.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 16.03.2020, 11:56

Gerd H. hat geschrieben:
16.03.2020, 11:05
Hallo,

was mir dazu eingefallen ist, wären besagte Büffelhörner in silberner Tingierung belegt mit grünen Hermelinschwänzen und dazwischen ein aufgerichteter Kochlöffel. Da hätte man sogar den Schildinhalt mit den Farben in der Zier.
Nur mal so als Idee in den Raum gestellt.
Das klingt für mich sehr vielversprechend!

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Gerd » 16.03.2020, 20:56

Nur mal zur Ansicht eine Skizze:

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Mit besten Grüssen
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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Markus » 17.03.2020, 09:05

Ich habe mir mal diverse Wappen online und auch in meiner "Bibliothek" angesehen. Ich sehe viele Wappen, die in der Zier das Schildbild ganz oder in Teilen wiederholen, aber mindestens gleich viele, oder auch mehr, die das nicht tun. Insofern wundert mich die Tatsache, dass ersteres als erstrebenswertes Gestaltungsziel benannt wird. Oder ist das eine Regel, die mir mal wieder nicht bekannt ist?
Heraldische Grüße
Markus

Vollwappen im Wappenindex Greve:
https://www.familie-greve.de/wappeneint ... &wid=72488

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Re: Wappenneustiftung

Beitrag von Tejas552 » 17.03.2020, 10:15

Markus hat geschrieben:
17.03.2020, 09:05
Ich habe mir mal diverse Wappen online und auch in meiner "Bibliothek" angesehen. Ich sehe viele Wappen, die in der Zier das Schildbild ganz oder in Teilen wiederholen, aber mindestens gleich viele, oder auch mehr, die das nicht tun. Insofern wundert mich die Tatsache, dass ersteres als erstrebenswertes Gestaltungsziel benannt wird. Oder ist das eine Regel, die mir mal wieder nicht bekannt ist?
Hallo Markus

von einer Regel war nicht die Rede. Bernhard Peter nennt es irgendwo einen erstrebenswerten Idealzustand, spricht aber auch nicht von einer Regel. Nach Peter dienen die Hilfskleinodien (Flug, Büffelhörner, Beutelstand, Kissen, Hut, Schirmbrett, Schildchen und Kleidung von Figuren in der Helmzier) dazu die Tinkturen (und andere Elemente) aus dem Schild zu wiederholen. Dies ist ihr wesentlicher Zweck, sie sollen keine neue "Gechichte erzählen".

Im Mittelalter war es so, dass diese Hilfskleinodien wechseln konnten. Dasselbe Wappen konnte mal mit Beutelstand, mal mit Flug dargestellt werden. Wichtig war nur, dass das Kleinod die Farben des Ritters zeigte und dies waren (in aller Regel) die Farben aus dem Schild, wobei es aber immer schon Ausnahmen gab.

Zum Teil wird es so sogar heute noch in der Schweiz gemacht. Ich habe Beispiele gesehen, wo dasselbe Wappen in einem Aufriss einen Flug mit Wagenrad darauf trug. In einem anderen Aufriss war nur das Wagenrad auf dem Helm. Der Flug hat eben keine Bedeutung. Er ist nur Projektionsfläche, sonst nichts. Manchmal ist das Oberwappen nicht mal bekannt, bzw. fixiert, weil nur der Schild eingetragen wird und nur der Schild zählt. Ich denke mit dem Übergang zur Kanzeleiheraldik wurde das Oberwappen zunehmend fixiert. Und, wie ich schon zuvor geschrieben habe, von dem "Ideal" wurde und wird zunehmend abgewichen.

Dennoch, ich denke es macht auch heute keinen Sinn wenn ein rot-weisser Schild mit einem Oberwappen versehen wird, dass aus einem grünen Flug, oder aus blau-weissen Büffelhörnern oder eben einer menschlichen Figur in grünem Gewand besteht. Derlei Helmzierden komplementieren und verstärken den Schild nicht, sondern erzählen eine neue Geschichte, bzw. lenken vom Schild ab.

Gruss
Dirk

Hier sind, aus meiner Sicht, besonders schöne Beispiele für komplementierende und verstärkende Helmzierden aus dem Schweizer Wappenbuch:

Bild

Besser kann man es nicht machen.
Zuletzt geändert von Tejas552 am 17.03.2020, 14:20, insgesamt 3-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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