Frage: Krone und Wulst

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Gerd
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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Gerd » 25.02.2017, 10:56

Ich würde mich da auch den Aussagen von Berlingo anschliessen. Wie die meisten wissen beschäftige ich mich ja vorrangig mit der Heraldik Böhmens. Dort kam die Wappenkunst zum Ende des 12.Jh. auf. Die Darstellungen von Wappen waren da noch ohne Wulst bzw. Krone. Diese kamen erst später dazu. Ich glaube diese Entwicklung kann man wie mit den Helmen sehen (Topf-, Stech- Spangenhelm).

Ich habe hier auch noch eine Zeichnung gefunden wo Helm und Wulst zu sehen sind. Es ist aber eben "nur" eine Zeichnung und kein Beleg dafür das beides in der Praxis auch benutzt wurde. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Wappendarstellung, sondern lediglich um Figuren die auch in Wappen vorkommen.

Das Bild ist die Darstellung des Zweikampfes des Wilden Mannes mit dem Wappenlöwen und stammt aus der Bibel Wenzel IV. (auch Wiener Bibel, Königs- oder Deutsche Bibel genannt) um 1390.

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Mit besten Grüssen
Gerd
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Tejas552
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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 10:59

Berlingo hat geschrieben: Hallo Dirk,

das ist leider ein großes Mißverständnis! Das 15. Jahrhundert liegt näher an der Verfallszeit (!) der Heraldik und ist nicht "früh" für das Wappenwesen. In der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens (etwa 11. bis zum 14. Jahrhundert) wirst Du keine Krone plus Wulst finden! Im Gegenteil: In den ältesten heraldischen Quellen gibt es nicht mal einen Wulst, der kam erst ab dem 14. Jahrhundert als Weiterentwicklung des Schapels auf, anfangs wohl -- genau wie die viel älteren Helmkronen -- um echte Bauteile zwischen Helmzier und Helm zu verstecken bzw. den Helm zu "tunen".

Die wenige Dutzend Funde auf Epitaphen und Wappenzeichnungen ab dem 15. Jahrhundert bis heute, die man in der deutschsprachig geprägten Wappenkultur finden kann, sind -- ich hatte es schon erwähnt -- eher Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Mehr nicht. Die Seltenheit hat etwas mit dem Prinzip zu tun, dass man selten zwei Kopfbedeckungen gleichzeitig trägt (also beispielsweise nicht Narrenkappe und Stahlhelm zusammen). ;-)

Mein Fazit: Die Aussage von Bernhard Peter, wonach es die Kombination von Helmkrone und Wulst niemals gab und sie heraldisch vollkommen falsch sei, ist nicht "wörtlich", "beckmesserisch" oder "apodiktisch" zu lesen, sondern als Empfehlung, sich am Wappenwesen der Früh- bis zur Blütezeit zu orientieren -- und nicht an den Einzelerscheinungen beziehungsweise an vorübergehende "Wappenmoden", die ab der Verfallszeit immer mal wieder einer auf Papier kritzelte oder in Stein meißelte. Und dass die Engländer und teilweise auch anders geprägte Wappenkulturen öfters eine Extrawurst braten, das ist im Wappenwesen schon lange bekannt ... dazu hätte es einen Brexit nicht gebraucht. ;-)

1001 Grüße

P. S.:
Nur weil etwas im Prinzip praktikabel ist, heißt das nicht, dass es tatsächlich so in der Vergangenheit auch gewesen ist beziehungsweise in der Zukunft gebräuchlich sein sollte. Gold beispielsweise können wir natürlich mittlerweile aus Bismuth machen -- das war jedoch mit Sicherheit in der Vergangenheit nicht möglich. Aber wer will, der kann natürlich in Zukunft aus Bismuth oder Blei Gold machen, wenn es ihm nicht irgendwelche Gesetzrollengeber grundsätzlich verweigern. ;-)

Hallo Berlingo,

vielen Dank für die detaillierte Antwort. Der Begriff "früh" ist natürlich relativ. Ich denke eine heraldische Darstellung aus dem 15. Jh. kann durchaus als "früh" bezeichnet werden auch wenn die eigentliche Frühzeit der Heraldik davor lag. Im 15. Jh. wurden Wappen tatkräftig verwendet, denn dies war die Hochzeit der Stech- und Kolbenturniere. Betrachter des St. Galler Wappenbuches können echte Turniere miterlebt haben. Auch auf der Zeitachse ist eine Wappenillustration aus dem 15. Jh. zweifellos "früh", denn die längste Zeit der Heralik kommt natürlich erst "später".

In der eigentlichen Früh- und Blütezeit (ich denke Du meinst das 12/13. Jh.) wurde in Tat und Wahrheit vieles nicht auf dem Helm getragen was heute in der Heraldik gang und gäbe ist. Ich denke, man wird wohl keinen Originalhelm mit einem Helmkissen finden. Viele Helmzierden und Verbindungsstücke existieren nur in der Heraldik. Viele heraldische Helmzierden wären kaum montierbar gewesen, oder hätten dann der Turnierpraxis nicht standgehalten.

Dies gilt selbstverständlich auch für Helmkronen. Es gibt vermutlich keinen historischen Helm mit einer Helmkrone aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik. Bekannt ist dies nur von englischen Königen und Prinzen, und diese trugen dazu vermutlich auch den Torse also den Wulst. (Ich habe dazu eine Anfrage ans Royal College of Arms gestartet, aber natürlich noch keine Antwort erhalten).

Auf Stechhelmen sind Wulste eigentlich nicht notwendig. Ich vermute sehr stark, dass es kein einziges Exemplar eines Stechhelms aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik gibt, dass eine Wulst aufweist. Ich würde ein solches Exemplar sehr gern sehen wenn es eines gibt.

So kann die Aussage von Bernhard Peter, nach meiner Ansicht, auch nicht in Deinem Sinne verstanden werden. Wenn es nach Hr. Peter Krone und Wulst "niemals aber auch wirklich niemals gab" und sie daher heraldisch "ganz, ganz falsch" ist, dann müsste er dieselbe Aussage auch für Wulste auf Stechhelmen oder für Helmkissen auf Kolbenturnierhelmen und viele andere Kombinationen treffen, denn diese hat es in der Früh- und Blütezeit der Heraldik auch nicht auf echten Helmen gegeben - sie wurden auch nicht wirklich getragen.

Die Natur der Aussage von Hr. Peter ist eigentlich auch erst dann ein Problem, wenn heraldische Vereine und Wappenrollen seine apodiktisch formulierte Regel als "unumstösslich" und "absoluten" Gradmesser betrachten. Vielleicht hat er selber dies gar nicht so gemeint. Schliesslich schreibt er ja auch, das Wulste, Helmkissen usw. vielfach garnicht blasoniert wurden. Sie waren austauschbar, je nach Geschmack. Und da sind wir beim eigentlichen Punkt; vieles was früher Geschmackssache wa,r soll jetzt zur unumstösslichen Regel erhoben werden.

Ich denke man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht die Praxis anderer Länder einfach als "Extrawurst" abtun. England hat ein sehr reiches geschichtliches Erbe und ein besonders ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein, dass, meiner Meinung nach, weit über das in Deutschland hinausgeht (ich habe 15 Jahre in Cambridge und London gelebt). Wenn Institutionen wie das College of Arms die Kombination von Wulst und Krone nicht als heraldisch "ganz, ganz falsch" betrachten, dann hat dies aus meiner Sicht Gewicht auch für die Beurteilung eines Wappens in anderen Regionen.

Ohne Hr. Peter zu Nahe treten zu wollen, könnte es nicht doch sein, dass die Heraldiker des Royal College of Arms, das eine oder das andere über die Heraldik und über heraldische Praktiken des Mittelalters wissen, was Hr. Peter nicht bekannt war? (Achtung Herr Billet, kein Grund sich wieder schützend vor Hr. Peter zu werfen oder nicht existente Seitenhiebe zu postulieren, dies ist nur eine vorsichtig formulierte Frage).

Ich bedanke mich nochmals für Deinen sachlichen und hilfreichen Beitrag. Ich bleibe aber bei meinem Fazit. Die Aussagen "niemals, aber auch wirklich niemals" und "ganz, ganz falsch" sind meiner Meinung nach zu apodiktisch, da andere Aspekte offenbar ausser Acht gelassen wurden. Sie sollten nicht zur unumstösslichen Regel der Heraldik erhoben werden.

Manchmal muss man sich eben darauf einigen, dass man sich nicht einigen kann. Das ist dann aber auch kein Problem.

Gruss
Dirk

PS zu Deinem PS:

Auf die Praktikabilität der Kombination Krone und Wulst habe ich deshalb verwiesen, weil jemand anderes hier behauptete, dass man einen Wulst und eine Krone garnicht auf einem Helm montieren konnte, was zweifellos nicht stimmt.
Das man neuerdings Gold aus Bismuth herstellen kann wusste ich nicht - glaube ich auch nicht ganz. Ein Element aus einem anderen Element herzustellen widerspricht dem, was ich mal in der Schule gelernt habe. Ich werde das mal googeln und dann vielleicht in die Goldproduktion einsteigen :D
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 11:04

Gerd H.z.B. hat geschrieben:Ich würde mich da auch den Aussagen von Berlingo anschliessen. Wie die meisten wissen beschäftige ich mich ja vorrangig mit der Heraldik Böhmens. Dort kam die Wappenkunst zum Ende des 12.Jh. auf. Die Darstellungen von Wappen waren da noch ohne Wulst bzw. Krone. Diese kamen erst später dazu. Ich glaube diese Entwicklung kann man wie mit den Helmen sehen (Topf-, Stech- Spangenhelm).

Ich habe hier auch noch eine Zeichnung gefunden wo Helm und Wulst zu sehen sind. Es ist aber eben "nur" eine Zeichnung und kein Beleg dafür das beides in der Praxis auch benutzt wurde. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Wappendarstellung, sondern lediglich um Figuren die auch in Wappen vorkommen.

Das Bild ist die Darstellung des Zweikampfes des Wilden Mannes mit dem Wappenlöwen und stammt aus der Bibel Wenzel IV. (auch Wiener Bibel, Königs- oder Deutsche Bibel genannt) um 1390.

Bild


Hallo Gerd,

vielen Dank für das tolle Bild. Aus meiner Sicht ist dies ein weiterer, noch früherer Beleg dafür, dass Helmkrone und Wulst zumindest heraldisch auch im deutschsprachigen Raum kombiniert wurden. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Aussage von Hr. Peter, wonach es diese Kombination niemals gab und sie heraldisch vollkommen falsch sei, zu apodiktisch ist.

Ich denke man muss auch nicht immer jede Kombination von Zierde und Verbindungsstück durch originale Helme belegen. Wenn diese Darstellungen im 14. Jahrhundert möglich war, dann ist es überkritisch zu behaupten, dass es sie in der Praxis nicht gegeben hat.

Mit anderen Worten, aus Historikersicht liegt jetzt die Beweislast bei denen, die Behaupten, dass es diese Kombination aus Krone und Wulst, trotz der Evidenz historischer Quellen, in der Praxis nicht existierte. Falls es diesen Beweis nicht gibt, gilt die Evidenz der historischen Quellen; also Krone und Helm wurden auch im deutschsprachigen Raum auf dem Helm kombiniert.


Nochmals Danke!
Gruss
Dirk

PS Ich bin hoffnungsvoll, dass sich sogar noch Darstellungen von Krone und Wulst aus dem 13. Jh. finden lassen. Ich werde nochmal auf die Suche gehen.

PPS Ich habe noch ein schönes Bild des Wappens des Herzogs von Braunschweig aus dem 15. Jh. auf dem Helmkrone und Wulst miteinander kombiniert sind.

Erklärung "überkritisch"
Wenn eine zuverlässige historische Quelle (Text oder Bild) eine Aussage macht, die plausibel und praktikabel ist, dann wird sie von Historikern als für die historische Realität zutreffend bezeichnet. Wenn diese Quellenaussage dann trotz Zuverlässigkeit und Plausibilität angezweifelt wird, dann kann dieser Zweifel als "überkritisch" abgetan werden, wenn der Zweifler keine Evidenz vorlegen kann die den Zweifel begründen.
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Markus » 25.02.2017, 11:56

Vielleicht sollte mal klar und deutlich gesagt werden, dass die angelsächsische Heraldik, so traditionsverbunden sie auch sein mag, nicht als Maßstab für die Heraldik in den deutschsprachigen Ländern angesehen werden kann. Als Rechtfertigung für hier nicht übliche heraldische Darstellungen fällt sie somit aus. Insofern ist es völlig unerheblich ob in England Helmkronen auf einem Wulst vorkommen oder nicht. Wenn sie in unseren Breiten doch vorkommen, dann aber so selten, dass wir heute guten Gewissens empfehlen können, von solchen Neuschöpfungen Abstand zu nehmen. Im Übrigen haben Helmkronen auf bürgerlichen Wappen m. E. einen leicht anmaßenden Charakter. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Noch was zur tatsächlichen Nutzbarkeit von Helmzierden in Turnieren: Es ist allgemein bekannt, dass viele Helmzierden weder im Turnier, noch im Kampf nutzbar waren. Es gab da die abenteuerlichsten Konstruktionen bis hin zu Windspielen, die sich drehten, etc. Diese oft beeindruckenden Helmzierden wurden lediglich vor dem Turnier bei der sog. Helmschau auf die Helme montiert und gezeigt und vor dem Einsatz häufig durch einfachere Zierden ausgetauscht. Auf dem Papier fand dieser Austausch natürlich nicht statt. Da sehen wir die abenteuerlichsten Gebilde im Schlachtengetümmel.
Heraldische Grüße
Markus

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 12:55

Markus hat geschrieben:Vielleicht sollte mal klar und deutlich gesagt werden, dass die angelsächsische Heraldik, so traditionsverbunden sie auch sein mag, nicht als Maßstab für die Heraldik in den deutschsprachigen Ländern angesehen werden kann. Als Rechtfertigung für hier nicht übliche heraldische Darstellungen fällt sie somit aus. Insofern ist es völlig unerheblich ob in England Helmkronen auf einem Wulst vorkommen oder nicht.
.
Hallo Markus,

auch dies sind letztlich nur Behauptungen. Man kann dazu sicher geteilter Ansicht sein. Ich denke, wenn eine Frage in der deutschsprachigen Heraldik unklar ist - und diese ist offenkundig unklar, denn mir wurde vom Vorstand einer Wappenrolle empfohlen diese Diskussion hier anzuregen um dadurch vielleicht etwas Licht ins Dunkel zu bringen - sehe ich keinen Grund für die Klärung nicht einen Blick auf die Praxis in anderen Ländern zu werfen. Warum sollte man sich unnötig einschränken und Expertenwissen ausblenden nur weil man glaubt, dass deren Einschätzungen sowieso nichts gelten?

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 13:07

Markus hat geschrieben: Wenn sie in unseren Breiten doch vorkommen, dann aber so selten, dass wir heute guten Gewissens empfehlen können, von solchen Neuschöpfungen Abstand zu nehmen.
Hm, wenn sie vorkommen, und dass sie vorkommen haben wir eindrücklich gesehen, und zwar schon seit dem 14. Jh., handelt es sich nicht um eine "Neuschöpfung". Es handelt sich dann um den Rückgriff auf eine sehr alte Praxis, die zugegebener Massen nur selten zur Anwendung kam.

Viele Dinge auf Wappenschilden und in Helmzierden die heutzutage von den Wappenrollen eingetragen werden sind dagegen echte Neuschöpfungen, die es im Mittelalter nicht gegeben hat. Ich denke an Zahnräder, Globen, Äskulapstäben, Propeller, Zimmermanshämmer, germanische Gottheiten, natürliche Hände und der gleichen mehr.
Warum sollten diese echten Neuschöpfungen den Vorzug über eine Kombination erhalten, die nachweislich in der deutschsprachigen Heraldik seit dem 14. Jh. existiert?

Gruss
Dirk
Zuletzt geändert von Tejas552 am 25.02.2017, 13:14, insgesamt 2-mal geändert.
Beste Grüsse
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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 13:13

Markus hat geschrieben: Im Übrigen haben Helmkronen auf bürgerlichen Wappen m. E. einen leicht anmaßenden Charakter. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Dazu hat es sicher schon epische Diskussionen gegeben. Eine Krone ist das Zeichen eines Königs, bzw. eines Mitglieds einer königlichen Familie. Von daher könnte man argumentieren, dass eine Krone auch einen "leicht anmassenden Charakter" im Wappen des Kleinadels hat. Aber das müssen wir hier nicht neu beackern. Ich denke in einer Zeit in der es keinen Adel und keine Adelsrechte mehr gibt, gibt es auch keine Grundlage für adelige Vorrechte. Aber "Suum Cuique", wie der preussische König zu sagen pflegte. :D

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Markus » 25.02.2017, 13:32

Das ein Vorstandsmitglied einer Wappenrolle Sie gebeten hat, das Thema hier zur Diskussion zu stellen ehrt uns natürlich! Um welche Rolle handelt es sich?
Im Übrigen denke ich, dass die angelsächsische Heraldik mit ihren ganz eigenen Traditionen und Darstellungsweisen gerade zu prädestiniert ist, immer dann gern bemüht zu werden, wenn es darum geht, eigene Vorstellungen bei der Wappenstiftung durchzusetzen, die in der deutschsprachigen Heraldik nicht üblich sind. Dennoch kann sie als Vorbild, aufgrund ihrer völlig eigenständigen Entwicklung, nicht dienen. Unsere Wappenrollen wären sicher gut beraten, wenn sie eine konsequente Linie beibehielten. Natürlich gibt es auch Negativbeispiele, allerdings halten die sich in Grenzen. Schauen Sie sich mal die belgische Heraldik an. Da finden Sie die tollsten Dinger (z. B. Raketen) auf den Helmen und Schilden. Man kann nur hoffen, dass sowas nicht zu uns herüberschwabt. Dann doch immer noch lieber eine Krone auf einem Wulst. :wink:

Adelsrechte sind abgeschafft - ja natürlich, hier bei uns, aber doch nicht in England!!! :twisted:
Heraldische Grüße
Markus

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Berlingo » 25.02.2017, 14:09

Tejas552 hat geschrieben:(..) In der eigentlichen Früh- und Blütezeit (ich denke Du meinst das 12/13. Jh.) wurde in Tat und Wahrheit vieles nicht auf dem Helm getragen was heute in der Heraldik gang und gäbe ist. Ich denke, man wird wohl keinen Originalhelm mit einem Helmkissen finden. Viele Helmzierden und Verbindungsstücke existieren nur in der Heraldik. Viele heraldische Helmzierden wären kaum montierbar gewesen, oder hätten dann der Turnierpraxis nicht standgehalten.

Dies gilt selbstverständlich auch für Helmkronen. Es gibt vermutlich keinen historischen Helm mit einer Helmkrone aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik. Bekannt ist dies nur von englischen Königen und Prinzen, und diese trugen dazu vermutlich auch den Torse also den Wulst. (Ich habe dazu eine Anfrage ans Royal College of Arms gestartet, aber natürlich noch keine Antwort erhalten).

Auf Stechhelmen sind Wulste eigentlich nicht notwendig. Ich vermute sehr stark, dass es kein einziges Exemplar eines Stechhelms aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik gibt, dass eine Wulst aufweist. Ich würde ein solches Exemplar sehr gern sehen wenn es eines gibt (..) ]
Ja, in der Tat: Es gibt keine historischen Originalhelme aus der Früh-/Blütezeit der Heraldik mit Helmwulst, Helmkrone oder Helmkissen (zumindest sind mir keine bekannt und weder Dirk noch sein Experte konnten bislang eine "alte Praxis" anhand von Originalhelmen belegen). Falls jemand dennoch ein entsprechendes Original-Artefakt kennt, bitte hier vorstellen.

Das Nichtvorhandensein von originalen Artefakten öffnet das Tor für Spekulationen und Hypothesen. Die kann man verifzieren oder falsifizieren, wenn man andere Quellen nutzt. Wenn man also suchen will, was in der Frühzeit des Wappenwesens vermutlich gebräuchlich war, was nicht, empfehle ich, die ältesten Quellen zu nutzen, die wir noch haben. Da sind hauptsächlich Siegel, Wappenrollen/bücher und Literatur (neben ein paar anderen Quellen).

Beispiel:
Man nehme mal die Züricher Wappenrolle (1335/1345 ) in die Hand. Dort werden wir keinen Helmwulst auf einem Helm finden. Aber: Abbildung 16., 17., 53. ... et cetera mit Helmkrone, Abbildung 173., 175., 176 ... et cetera mit Helmkissen (Zählung nach Runge).

Und wenn man die Züricher Wappenrolle durch hat, dann weiter zurück mit Codex Manesse (1304-1340), Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis (1195-1196), Eneasroman (1170-1188) ... und ... und ... und ... das Ergebnis ist meines Wissen immer ähnlich: Nie ein Helmwulst, nie ein Helmwulst plus Helmkrone -- aber durchaus: hier und dort Helmkrone oder Helmkissen! Wenn man jetzt freundlicherweise noch die ältesten Siegel überblickt, die wir kennen -- meines Wissens, wieder kein Helmwulst, schon gar nicht Helmwulst plus Helmkrone.

Der naheliegende Schluss, den die heraldische Literatur daraus zieht: Helmkrone und Helmkissen sind viel älter und gebräuchlicher, als der Helmwulst. Oder, um mal Scheibelreiter wörtlich zu zitieren: "Älter als Wulst und heraldische Helmkrone war das Helmkissen."

Vereinzelte Gegenbeispiele, die hier im Diskussionsfaden angeführt werden -- leider bis jetzt "nur" zurück bis 1390/1400 -- fallen gegen die schiere Masse der Abbildungen aus einer viel früheren Zeit -- alle ohne "Helmwulst plus Helmkrone" -- einfach nicht ins Gewicht. Es ist schlichtweg "trumpisch" ;-), diese Einzelfälle -- alle auf Papier, alle vermutlich "nur" aus Unkenntnis oder einer Geschmacksvorliebe gestaltet -- zu einer "alten Praxis" umzudeuten. Und dabei haben wir noch nicht mal untersucht, ob die Datierung 1390 bis 1400 für die Wenzelsbibel plausibel ist. Man betrachte in diesem Zusammenhang mal das Werk von Heim "Or & Argent". In überzeugender Weise listet Heim Hunderte von Beispielen auf, wo Gold und Silber direkt nebeneinander zusammen in einem Wappen erscheinen. Und dennoch kommt niemand, der sich mit Heraldik auskennt, auf die Idee, diese "alte Praxis" für heraldisch "normal" zu halten. Es sind Ausnahmen wie Helmkrone plus Helmwulst, die nirgendwo "verboten" sind.

Was die Frage anbetrifft, ob man "Helmwulst plus Helmkrone" oder beispielsweise ein "Flugzeug -- was so ziemlich das Gleiche in den Augen tradioneller Heraldkfreunde ist -- in einem Wappen führen und in einer Wappenrolle einträgt -- so bleibt dies den Wappenrollenherausgebern und Wappenstiftern zum Glück heute selber überlassen. Ich sehe nicht, dass es in diesem Zusammenhang irgendwelche Schwierigkeiten gibt. Wenn man so was führen will, bitte, warum nicht, irgendwo findet sich schon eine Wappenrolle, die so ein Wappen einträgt. ;-)

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Claus J.Billet » 25.02.2017, 14:10

übrigens, nur mal so nebenbei bemerkt :
auf einem "Wulst" sitzt mal bequemer :!: :mrgreen:
http://wappen-billet.de/Kunden/Narri-Narro.jpg

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 15:06

Markus hat geschrieben:Das ein Vorstandsmitglied einer Wappenrolle Sie gebeten hat, das Thema hier zur Diskussion zu stellen ehrt uns natürlich! Um welche Rolle handelt es sich?
Hallo Markus,

ich vermute, dass die Person hier sogar mit grossem Interesse mitliesst. Ich werde aus sicher nachvollziehbaren Gründen keine Namen nennen - auch nicht der Wappenrolle, weil dies auf die Person schliessen lässt. Mein Wort drauf, dass es so ist.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 15:11

Markus hat geschrieben: Im Übrigen denke ich, dass die angelsächsische Heraldik mit ihren ganz eigenen Traditionen und Darstellungsweisen gerade zu prädestiniert ist, immer dann gern bemüht zu werden, wenn es darum geht, eigene Vorstellungen bei der Wappenstiftung durchzusetzen, die in der deutschsprachigen Heraldik nicht üblich sind. Dennoch kann sie als Vorbild, aufgrund ihrer völlig eigenständigen Entwicklung, nicht dienen. Unsere Wappenrollen wären sicher gut beraten, wenn sie eine konsequente Linie beibehielten:
Es geht auch nicht um Vorbildfunktion oder nicht. Es geht um eine historische Fragen: Wurden Helmwulst und Helmkrone niemals, aber auch wirklich niemals miteinander kombiniert oder nicht. Der Verweis auf die britische Tradition zeigt, dass diese Kombination keinesfalls unsinnig oder "ganz, ganz falsch" ist. Da die Frage bei deutschen Wappenrollen offensichtlich ungeklärt ist, gibt es keinen Grund nicht auch mal über den sprichwörtlichen Tellerrand zu blicken. Das heisst ja nicht, dass man dann auch Raketen und anderes aus der Heraldik Belgiens zulassen muss.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 15:18

Markus hat geschrieben:
Adelsrechte sind abgeschafft - ja natürlich, hier bei uns, aber doch nicht in England!!! :twisted:

Genau und wir sprechen über die Situation in Deutschland und nicht in England. In Deutschland gibt es keinen Adel. Alle Familien, auch Herzöge und Fürsten, sind in Deutschland "bürgerlich", bzw. allen anderen Personen rechtlich gleichgestellt. Familien, die früher einmal Adelsrechte besassen können heute daraus keine Sonderrechte mehr ableiten, und das ist auch sehr sehr gut so und alle Institutionen des öffentlichen und des privaten Rechts (wie heraldische Vereine) tun gut daran dies auch konsequent umzusetzen.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Claus J.Billet » 25.02.2017, 15:35

Tejas552 hat geschrieben:
Genau und wir sprechen über die Situation in Deutschland und nicht in England. In Deutschland gibt es keinen Adel. Alle Familien, auch Herzöge und Fürsten, sind in Deutschland "bürgerlich", bzw. allen anderen Personen rechtlich gleichgestellt. Familien, die früher einmal Adelsrechte besassen können heute daraus keine Sonderrechte mehr ableiten, und das ist auch sehr sehr gut so und alle Institutionen des öffentlichen und des privaten Rechts (wie heraldische Vereine) tun gut daran dies auch konsequent umzusetzen.

Gruss
Dirk
Na sowas :shock:

Tejas552 bringt es uns jetzt aber "ganz, ganz sicher" bei :!:
... wer hätte denn so etwas gedacht :lol:

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Re: Frage: Krone und Wulst

Beitrag von Tejas552 » 25.02.2017, 15:40

Berlingo hat geschrieben:
Ja, in der Tat: Es gibt keine historischen Originalhelme aus der Früh-/Blütezeit der Heraldik mit Helmwulst, Helmkrone oder Helmkissen (zumindest sind mir keine bekannt und weder Dirk noch sein Experte konnten bislang eine "alte Praxis" anhand von Originalhelmen belegen). Falls jemand dennoch ein entsprechendes Original-Artefakt kennt, bitte hier vorstellen.
Hallo Berlingo,

Mann-o-Mann, jetzt haben wir endlich mal eine richtige Diskussion. Danke für Deine Einschätzungen, das ist wirklich sehr interessant.

Stimmt, einen Originalhelm mit Wulst und Krone wird es wohl nicht geben, genau wie es wohl auch einen originalen Stechhelm mit Wulst nicht gibt, geschweige denn einen Helm mit Kissen. Es ist gut möglich, dass Wulste in der Regel auch gar nicht auf Stechhelmen getragen wurden, sondern das dies vor allem eine Erfindung der Heraldik ist. Ich denke von der Vorstellung, dass jede heraldisch mögliche Kombination auch durch Originalhelme bewiesen werden muss, können wir uns verabschieden dies gilt für Wulste, Kissen, Kronen und deren Kombinationen.

Vielleicht hast Du recht und es ist ein empirisches Argument. Du schreibst, dass die wenigen mittelalterlichen Beispiele von Darstellungen von Helmkronen mit Wulst nicht ins Gewicht fallen, dass man praktisch gut daran tut ihre Existenz zu leugnen. Allerdings klingt das für mich eher nach der " "Trump'schen" Fakten-Verdrehung, die Du in meiner Argumentation erkannt haben willst. Fakt ist, Helmkronen und Wulste wurden von Heraldikern schon im 14. Jh. auch im deutschsprachigen Raum kombiniert - selten zwar, aber es gibt eindrückliche Beispiele aus bedeutenden Wappenbüchern. Damit ist die Aussage von Hr. Peter, dass dies absolut niemals vorkam bereits widerlegt. Ob die Heraldiker des Mittelalters hier "ganz, ganz falsch" vorgegangen sind ist vermutlich ehr Geschmackssache als alles andere. Und De gustibus non est disputandum ...

Gruss
Dirk
Zuletzt geändert von Tejas552 am 25.02.2017, 16:06, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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