Deutsches Wappen in Schweden

Ihre Fragen zur Heraldik sind hier willkommen
Your questions concerning heraldry are welcome here

Moderatoren: Markus, Christian Ader

Antworten
H.Nilsson

Deutsches Wappen in Schweden

Beitrag von H.Nilsson » 03.05.2006, 23:28

Hallo!

Ich bin als Archäologe in Malmö, Schweden tätig. Bei eine Ausgrabung vor die Kirche S:t Petri in der Altstadt Malmö haben wir neulich ein mittelaterliches Grabmal mit Wappen gefunden und versuchen die Identität der Besitzer dieses Wappen festzustellen.

Von der Inschrift kennen wir seiner Todestag: 1391, der Freitag vor Palmsonntag. Seiner vollständiger Name kennen wir leider nicht als ein Stück des Grabsteins fehlt. Wir können eine "C" lesen, dann fehlt etwas und danach "GREVESMOLE".

Höchst wahrscheinlich sollt Grevesmole als der Ort Grevesmühlen in Mecklenburg interpretiert werden. Ein schwedische Heraldik-Experte meint auch dass es kein schwedisches oder dänisches Wappen ist, eher ein deutsches, aber mehr konnte er nicht sagen. Ich habe die Siebmacher´sche Wappenbücher über Mecklenburg, Pommern und Baltikum durchgesucht aber kein genau übereinstimmende Wappen gefunden.

Wenn jemand hier mir helfen könnte, wäre ich sehr dankbar.

Mit frendlichem Gruss

H.Nilsson

Das Wappen:
Bild

Padberg Evenboer
Mitglied
Beiträge: 825
Registriert: 25.03.2005, 17:11

Beitrag von Padberg Evenboer » 04.05.2006, 09:13

Sehr interessant und in Raneke's Buch über 'Svenska Medelstidsvapen' nicht zu finden, woraus man schließen kann das es ein deutsches Wappen ist.

Ein schneller Suche mit Google macht deutlich das ein Familienmitglied 1344 begraben ist in Visby.
GREVESMOLE. GG nr 84 begravd i Visby dka (gravsten); se Sundqvist s. 157. ± [RGDW ] (e. 1344).
Warscheinlich ist die Familie in Deutschland unter Hungerstorff zu finden, denn es gibt ein Thomas Hungerstorff gen. Grevesmole. Er ist 1438 Komtur zu Fellin.
Auch in Lübeck ist die Familie zu finden.
Warscheinlich stammen die alle aus der Gegend zwischen Lübeck und Wismar.

MfG,
K. Padberg Evenboer

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

Beitrag von Joachim v. Roy » 04.05.2006, 17:23

Besonders auffallend ist der schrägrechte Z w i l l i n g s b a l k e n. Ein solches Wappen führten die mecklenburgischen Vasallen VON PAPENHUSEN (auch: Papenhausen, Poppenhausen etc.). Das Mecklenburgische Urkundenbuch (Band IX, Seite 23) bezeichnet den Zwillingsbalken als „doppelten rechten Schrägbalken“.

Quelle: Wappenbuch des abgestorbenen Adels in den Großherzogthümern Meklenburg-Schwerin und Meklenburg-Strelitz, bearbeitet von G.A. v. Mülverstedt (= Siebmacher Band VI, 10. Abteilung), Nürnberg 1902, Seite 80. - Die zu dem Text gehörende Wappenabbildung auf Tafel 44 ist n i c h t korrekt, da diese keinen Zwillingsbalken zeigt, sondern zwei Schrägrechtsbalken!

Stammsitz des Geschlechts VON PAPENHUSEN war die - nur wenige Kilometer westlich von Grevesmühlen gelegene - Ortschaft Papenhusen. Es wäre durchaus denkbar, daß der 1391 in Malmö begrabene Unbekannte (N. VON PAPENHUSEN?) sich nach der Vogtei Grevesmühlen (= seinem Heimatort) nannte.

Daß zahlreiche Mecklenburger Vasallen der dänischen Könige waren, ist allgemein bekannt. Zur Zeit des 'N. VON PAPENHUSEN' stammte auch der bedeutende Feldherr der Königin Margarete von Dänemark (+ 1412), Heinrich Parow, aus Mecklenburg.

Freundliche Grüße vom Rhein

H.Nilsson

Beitrag von H.Nilsson » 05.05.2006, 10:26

Ich danke Euch für die intressanten Antworten.

Der Grabstein in Visby kennte ich schon, aber die andere Angabe nicht. Die Abkürzung "gen." in die Name (Hungerstorff gen. Grevesmole) bedeutet geboren?

Die Papenhusen/Poppenhausen-Hypothese ist sehr intressant. Dieses Wappen habe ich gesehen und zusammen mit ungefähr 10 andere ähnlichen Wappen als mögliche betrachtet.

Es gibt bestimmt ein Unterschied in Die Beschreibungen über die Wappen der Familien Poppenhausen, Bonsack (I) und Wulfkrog, obwohl die alle gleich abgebildet sind. Bonsack (I) und Wulfkrog sind als "zwei schrägrechtsbalken" beschrieben aber Poppenhausen als "doppelter rechter Schrägbalken". Darüber habe ich nicht gedacht, sonnst dass die Abbildingen korrekt waren angenommen.

Dass der Ort Papenhusen ganz in die Nähe von Grevesmühlen ist gibt diese Hypothese noch mehr Glaubwürdigkeit. Es ist bisher die beste Lösung des Problemes.

Wenn man das Wappen am Grabstein auch als "Zwillingbalken" beschrieben kann, sehe ich noch eine Möglichkeit. Die Beschreibung des Wappens von Kempe gibt zwei Versionen nach unterschiedlichen Quellen: "Gespaltener Schrägrechtsbalken" oder "Zwillingsschrägbalken".

Quelle: Wappenbuch des abgestorbenen Adels in den Großherzogthümern Meklenburg-Schwerin und Meklenburg-Strelitz, bearbeitet von G.A. v. Mülverstedt (= Siebmacher Band VI, 10. Abteilung), Nürnberg 1902, s.56, Tafel 30.

Wäre es denn auch möglich dass das Wappen zur Familie Kempe gehört?


Noch einmal: vielen Dank!

H.Nilsson

Benutzeravatar
AndreasWurm
Mitglied
Beiträge: 654
Registriert: 02.06.2005, 08:19

Beitrag von AndreasWurm » 05.05.2006, 12:40

H.Nilsson hat geschrieben:Die Abkürzung "gen." in die Name (Hungerstorff gen. Grevesmole) bedeutet geboren?
Nicht geboren sondern genannt.

Mfg Andreas Wurm

Benutzeravatar
Jörg Berndt of Kerry
Mitglied
Beiträge: 541
Registriert: 09.01.2005, 09:20
Wohnort: Dresden, Sachsen

Beitrag von Jörg Berndt of Kerry » 05.05.2006, 17:36

für mich ist es nicht verwunderlich, dass ein deutsches wappen in schweden zu finden ist, gehörten doch lange zeit einige (heute) deutschen landstriche an der ostsee zu schweden. ich glaube auch die insel rügen, stand unter schwedischer verwaltung. ausserdem war es schon damals für deutsche "fachkräfte" schwierig in deutschland einen job zu bekommen, von dem man leben kann und wanderten nach skandinavien aus. :wink: machen heute zb. auch viele aus dem medizinischen bereich. fachkräfte werden gebraucht, nur bezahlen will sie keiner. es gilt deshalb, "weniger, pflegen mehr".
jörg, mit freundlichem gruß aus sachsen

Padberg Evenboer
Mitglied
Beiträge: 825
Registriert: 25.03.2005, 17:11

Beitrag von Padberg Evenboer » 08.05.2006, 00:32

Vielleicht gibt dieses Buch Auskunft:

Crull, Friedrich: Die Wappen der bis 1360 in den heutigen Grenzen Meklenburgs vorkommenden Geschlechter der Mannschaft, in: Jahrbuch des Vereins für Mecklenburg 52, 1887, S. 34-182 / 53, 1888, S. 351-355.

In dieses Buch gibt es sehr viele Siegel von adlige Geschlechter aus Mecklenburg, mehr als in die Siebmacher. Die letztere war schon in 1858-1859 gedruckt worden.

MfG,
K. Padberg Evenboer

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

Beitrag von Joachim v. Roy » 08.05.2006, 19:47

Zur Frage, ob das abgebildete Wappen auch der mecklenburgischen Familie VON KEMPE gehört haben kann:

Das Geschlecht VON KEMPE führte nach G.A. v. Mülverstedt, Wappenbuch, Nürnberg 1902, S. 56, einen „gespaltenen Schrägrechtsbalken“, nach dem - von v. Mülverstedt genannten - Mecklenburgischen Jahrbuch, Bd. 52, „einen Zwillingsschrägbalken“.

Es darf deshalb vermutet werden, daß sowohl die Familie VON PAPENHUSEN als auch die Familie VON KEMPE einen schrägrechten Z w i l l i n g s b a l k e n führte. Die zu dem Text „Kempe“ gehörende Wappenabbildung auf Tafel 30 wäre deshalb n i c h t korrekt, da diese keinen schrägrechten Zwillingsbalken zeigt, sondern einen - nicht längs, sondern quer - gespaltenen Schrägrechtsbalken.

Nach G.A. v. Mülverstedt verkauften die Brüder Johann und Heinrich VON KEMPE im Jahre 1357 Güter in Steinbeck an das Zisterzienserkloster Doberan (heute: Bad Doberan). Nun gibt es in Mecklenburg mehrere Ortschaften, die 'Steinbeck' heißen, darunter auch ein Dorf Steinbeck bei Elmenhorst (= 16 Kilometer nordwestlich von Grevesmühlen), doch dürfte hier wohl eher an das 6 Kilometer nordöstlich vom Kloster Doberan gelegene Dorf Steinbeck zu denken sein. Daraus folgt, daß ein Zusammenhang zwischen der Familie VON KEMPE und der Vogtei Grevesmühlen n i c h t zu erkennen nicht.

Im übrigen erscheint die von Herrn Padberg Evenboer freundlicherweise genannte Familie HUNGERSTORFF bei G.A. v. Mülverstedt, S. 51, unter dem Namen VON HUNGER („mitunter auch Hungersdorf genannt“). Das Geschlecht VON HUNGER führte jedoch keinen schrägrechten Zwillingsbalken im Wappen, dürfte deshalb nicht den abgebildeten Grabstein gestiftet haben.

Freundliche Grüße vom Rhein

Antworten