Hier sind einige vorläufige Überlegungen zum Helmwulst, bzw. zum Bund:
Um 1250 entsteht der geschlossene Topfhelm. Dieser wird offenbar schon bald nach Einführung mit einem Tuch bespannt, bzw. mit Helmdecken versehen. Erkennbar ist dies im Codex Manesse (um 1310). Dieser zeigt überwiegend eine Waffentechnik, die bei seiner Entstehung bereits veraltet war, weil sie auf heute verlorenen Illustrationen aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. beruhen. Die Helmbespannung ist in der Züricher Wappenrolle (1330er Jahre) gut zu erkennen. Soweit ich weiss haben sich aber keine Helmdecken aus dieser Zeit erhalten.
Im Verlauf des 14. Jh. entsteht – vielleicht in Frankreich – ein Stoffbund (frz. Tortillon, eng. Torse, itl. Cercine, sp. Burelete) der laut Wikipedia in Frankreich sogar verliehen wurde, also eine Art Auszeichnung darstellte. Dieser Stoffbund (in dt. auch Wulst, Türkenbund oder Pausch genannt) besteht aus einem eingedrehten Tuch, dass unabhängig von den Helmdecken auf oder um das Helmdach getragen wurde. Ich denke diese Trageweise kann nur beim grossen Kübelhelm funktionieren, was bestätigt, dass dieser Bund nach den Decken entstanden sein muss. Interessanterweise konnte dieser Bund auch ohne Decken getragen werden. Diese Abbildung stammt aus England (Sir Thomas Holme’s Book of Arms (1445-50):
https://www.pinterest.de/pin/pin-su-fra ... /?mt=login
Ryan hat ebenfalls frühe Beispiele für einen torse aus England gezeigt. Ich habe bisher kein frühes (14.Jh.) Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum gefunden. Im Gegenteil, zurzeit des Codex Manesse und der Züricher Wappenrolle scheint der Bund oder Wulst gänzlich unbekannt gewesen zu sein (d.h ich bezweifele, dass der Ring im Schild und auf dem Helm des Wappens Ringenberg, wie in der Heraldik-Wiki angegeben einen Bund oder Wulst darstellen soll).* Ich denke, es ist gut möglich, dass der Bund erst später und womöglich nur im Rahmen der Heraldik, nicht aber in der tatsächlichen Ausrüstung der Ritter, im deutschsprachigen Raum Aufnahme gefunden hat.
Ich kann es nicht belegen, aber ich denke, dass der Bund, bzw. der Wulst sich erst im 15 Jh. in der Heraldik des deutschsprachigen Raums ausgebreitet hat, wo er aber vermutlich als Teil der Decken betrachtet wurde und nicht als unabhängiger Stoffring. Dies könnte der Grund dafür sein, dass der Bund in der Heraldik des deutschsprachigen Raums in aller Regel die Farben der Decken zeigt, wohingegen wir Beispiele für eigenständig eingefärbte Tortillons aus Frankreich und Burgund gesehen haben. Womöglich haben Herolde im deutschsprachigen Raum den Bund übernommen ohne ihn aus eigener Anschauung zu kennen. Ich vermute, dass er als Zierelement, dass dazu geeignet war den Übergang von Helm zu Helmzier zu kaschieren sehr schnell beliebt wurde. Davon ist womöglich der Türkenbund zu unterscheiden, der in mittelalterlichen Illustrationen vor allem dann auftritt, wenn es darum ging Muslime etc. darzustellen.
Den Bund, der offenbar vielfach von neuzeitlichen Reenactors auf dem Kübelhelm getragen wird, kann man auch
waffentechnisch beurteilen. Ich denke, dass ein solcher Bund eigentlich nur im Lanzenturnier Verwendung gefunden haben kann. Im Schwertkampf wäre er unpraktisch. Schläge gegen den Helm hätten den Bund verrutschen lassen. Womöglich wäre er sogar vor die Sehschlitze des Helmes geraten. Hier könnte ein Grund liegen, warum der Bund im deutschsprachigen Raum später, und womöglich nur in der Heraldik auftritt. Während in Frankreich und England anfänglich vor allem der Tjost (Zweikampf mit Lanze) die beliebteste Turnierform war, erfreute sich im deutschsprachigen Raum vor allem der Buhurt (Gruppenkampf mit Schwertern) grosser Beliebtheit.
* Es ist natürlich gut möglich, dass der Ring im Wappen Ringenberg in späterer Zeit als Wulst interpretiert wurde. Da der Ring aber wohl auf den Namen Ringenberg verweisen soll und da ein Helmwulst, soweit ich sehen kann, in der Regel nicht als Ring bezeichnet wurde, spricht dies auch eher gegen eine Identifikation des Rings als Helmwulst.