Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

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Joachim v. Roy
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Ich brauch eure Hilfe

Beitrag von Joachim v. Roy » 26.11.2020, 11:10

Schwierig. Wenn der Wappenstifter Kinder, vielleicht sogar Enkelkinder sein eigen nennt,
dann dürfte die Bezeichnung „Familienwappen“ berechtigt sein. Anders wäre es, wenn der
Wappenstifter Junggeselle ist. In einem solchen Fall kann von einem „Familienwappen“
eigentlich keine Rede sein, allenfalls von einem „Wappen“.

MfG

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Kaisertreuer2
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Kaisertreuer2 » 26.11.2020, 11:37

Früher hätte man vielleicht anstatt vom heutigen Familienwappen von einem "Sippenwappen", "Geschlechterwappen" oder "Großfamilienwappen" sprechen können, aber die Begriffe sind heute veraltet oder haben ein "Geschmäckle", daß man sie nicht benutzten will.

"Familienzweigwappen" trifft bei einer Nachkommenschaft des Wappenstifters, die das Wappen auch führen darf, wohl noch am ehesten zu, wird sich aber vermutlich nicht durchsetzen können.

VG Thorsten

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Tejas552
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Tejas552 » 26.11.2020, 15:16

Beim Uradel gibt es Fälle, in denen das Wappen nicht an den Familiennamen gebunden war, und zwar deshalb, weil dieser noch nicht fixiert war. Beim Wechsel des namengebenden Lehen oder Besitzes wurde das Wappen natürlich beibehalten. Gelegentlich lassen sich durch diese Wappengleichheit heute noch familiäre Beziehungen erschliessen, die aus den Familiennamen ansonsten nicht hervorgehen. So führten beispielsweise die Herren v. Wrestedt, v. Bodendiek und v. d. Knesebeck alle ein Einhorn im Wappen - allerdings in unterschiedlichen Farben. Man hat daraus geschlossen, dass diese räumlich verbundenen Familien alle desselben biologischen Stammes waren.

Im Gegenzug konnte aber auch eine Situation entstehen, in der zwei Familien denselben Namen führten, aber unterschiedliche Wappen hatten. So platzierten die Herzöge von Lüneburg und die Markgrafen von Brandenburg jeweils einen ihrer Gefolgsleute auf der Grenzburg Knesebeck. Der Lüneburger Vertreter war der Ritter Bodo v. Bodendiek und der Brandenburger war ein Ritter namens Wasmuth. Ersterer führte ein Einhorn im Wappen und der Zweite eine Greifenklaue, aber beide nannten sich von nun an von dem Knesebeck. Erst rund 400 Jahre später (1644) fühlten sich die beiden Linien (die Weisse und die Schwarze) so miteinander verbunden, dass sie ihre Wappen miteinander vereinigten (und gegenseitige Erbberechtigung anerkannten).

Der Beginn der Familiennamen fällt in der in der Regel nicht mit dem Beginn der Wappenführung zusammen. Beim Uradel kann die Wappenführer vor dem Beginn des Familiennamens liegen. Bei allen anderen liegt die Wappenführung (lange) nach dem Beginn des Familiennamens.
Die erste Variante könnte man als Wappenführung nach biologischer Abstammung bezeichnen. Für heutige Wappenstifter heisst das, dass sie die Führungsberechtigung so weit wie möglich in die Vergangenheit verlegen um möglichst alle Mitglieder der biologischen Abstammung im Mannesstamm zu erfassen.
Die zweite Variante könnte man als Wappenführung bezeichnen, welche die Familie eher als soziale Einheit betrachtet. Demnach sollten nur diejenigen in die Wappenführung einbezogen werden, die sich der Familie zugehörig fühlen. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile und sind in der Praxis vermutlich sowieso nicht besonders relevant.

Gruss
Dirk
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Gerd
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Gerd » 26.11.2020, 15:37

Das mit dem Mannesstamm hat sich erst später als Begriff eingebürgert, weil die Frau ja bei der Heirat den Namen des Mannes annehmen musste. Historisch gesehen ist diese Sichtweise aber falsch. Es gibt keinen historischen Wappenbrief, der mir bekannt ist, in dem nur die männliche Linie die Berechtigung erhält das Wappen zu führen. Es steht stets darin das alle ehelichen Nachkommen das Wappen führen dürfen. Das die Frauen das nicht weitervererben konnte liegt einzig am damaligen Namensrecht. Da das heute anders ist wird der Begriff Namensstamm verwendet.

Eine andere Sache ist die Verleihung von ein und dem selben Wappen an Personen die miteinander befreundet aber nicht verwandt waren, auch Wappenvettern genannt. Das gab es häufig im Kgr. Böhmen. Inwieweit das auch in anderen Regionen angewendet wurde kann ich nicht sagen.

Hier mal noch eine Führungsberechtigung aus jüngerer Zeit. Den Namen lasse ich hier weg. Der Wappenstifter ist mit dem Vater zerstritten und möchte nicht das dieser das Wappen führen darf. Gleichzeitig sollen aber seine Mutter und Bruder das Wappen führen dürfen. So hat er die Führungsberechtigung ausser auf sich noch auf seiner Mutter und ihre Nachkommen festgelegt.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Tejas552 » 26.11.2020, 16:17

Gerd H. hat geschrieben:
26.11.2020, 15:37
Das mit dem Mannesstamm hat sich erst später als Begriff eingebürgert, weil die Frau ja bei der Heirat den Namen des Mannes annehmen musste. Historisch gesehen ist diese Sichtweise aber falsch. Es gibt keinen historischen Wappenbrief, der mir bekannt ist, in dem nur die männliche Linie die Berechtigung erhält das Wappen zu führen. Es steht stets darin das alle ehelichen Nachkommen das Wappen führen dürfen. Das die Frauen das nicht weitervererben konnte liegt einzig am damaligen Namensrecht. Da das heute anders ist wird der Begriff Namensstamm verwendet.
Stimmt, ich meine den Namensstamm, aber da dieser in der Vergangenheit identisch mit dem Mannesstamm war, habe ich keinen Unterschied gemacht. Als alter Ahnenforscher sehe ich das mit dem Namensrecht sehr skeptisch. Namensstamm und Mannesstamm sollten identisch sein - Punkt. Das gibt nur ein riesen Kuddelmuddel (oder Krüsimüsi wie man in der Schweiz sagt).

Gerd H. hat geschrieben:
26.11.2020, 15:37
Eine andere Sache ist die Verleihung von ein und dem selben Wappen an Personen die miteinander befreundet aber nicht verwandt waren, auch Wappenvettern genannt. Das gab es häufig im Kgr. Böhmen. Inwieweit das auch in anderen Regionen angewendet wurde kann ich nicht sagen.
Interessant, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Es erinnert etwas an die polnischen Wappenstämme.
Gerd H. hat geschrieben:
26.11.2020, 15:37
Hier mal noch eine Führungsberechtigung aus jüngerer Zeit. Den Namen lasse ich hier weg. Der Wappenstifter ist mit dem Vater zerstritten und möchte nicht das dieser das Wappen führen darf. Gleichzeitig sollen aber seine Mutter und Bruder das Wappen führen dürfen. So hat er die Führungsberechtigung ausser auf sich noch auf seiner Mutter und ihre Nachkommen festgelegt.
Man hätte besser erstmal den Streit in der Familie geschlichtet - aber vermutlich leichter gesagt als getan :lol: .

Gruss
Dirk
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Gerd » 26.11.2020, 16:40

Tejas552 hat geschrieben:
26.11.2020, 16:17
Gerd H. hat geschrieben:
26.11.2020, 15:37
Eine andere Sache ist die Verleihung von ein und dem selben Wappen an Personen die miteinander befreundet aber nicht verwandt waren, auch Wappenvettern genannt. Das gab es häufig im Kgr. Böhmen. Inwieweit das auch in anderen Regionen angewendet wurde kann ich nicht sagen.
Interessant, davon hatte ich noch nie etwas gehört. Es erinnert etwas an die polnischen Wappenstämme.
Hier mal ein Beispiel:
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Der Text dazu ist in tschechisch. Das Wappen wurde am 28.9.1580 durch Kaiser Rudold II. an Johann Lann Kourzimsky, Linhart Touschkowsky und Lorenz Slansky verliehen mit dem Prädikat "von Warwaschowa".
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Kaisertreuer2 » 26.11.2020, 16:53

Gerd H. hat geschrieben:
26.11.2020, 15:37
...

Hier mal noch eine Führungsberechtigung aus jüngerer Zeit. Den Namen lasse ich hier weg. Der Wappenstifter ist mit dem Vater zerstritten und möchte nicht das dieser das Wappen führen darf. Gleichzeitig sollen aber seine Mutter und Bruder das Wappen führen dürfen. So hat er die Führungsberechtigung ausser auf sich noch auf seiner Mutter und ihre Nachkommen festgelegt.
Hm, da wäre interessant zu wissen, ob die Mutter schon einmal oder wieder verheiratet war/ist und dann, ob sie unter einem anderen Namen noch weitere Nachkommen hat, also Halbgeschwister des Wappenstifters. Wären die dann mit einbezogen in die Wappenstiftung? (Wahrscheinlich nicht?) Womöglich stiftet der geschmähte Vater dann gleichfalls ein Wappen für sich und seinen Bruder und dessen Nachkommen? Usw. usf.

Aber da taucht auch die Frage auf, wofür die Wappen noch stehen sollen? Macht sich so schön im Wohnzimmer hinter Glas.

Machen das die Wappenrollen eigentlich mit?

VG Thorsten

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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Gerd » 26.11.2020, 17:10

Hallo Thorsten,

das wäre der Text zur Führungsberechtigung wie er eingetragen wurde.
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Das bedeutet das auch die Halbgeschwister des Wappenstifters, so es denn welche geben sollte, das Wappen führen dürfen solange der Familienname wie erwähnt geführt wird.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Kaisertreuer2 » 26.11.2020, 17:33

Danke Gerd,

der Familienname soll noch der Gleiche sein. Immerhin noch etwas, dürfte aber vermutlich auch bald aufgeweicht werden. Wie gesagt, fehlt noch, daß der Vater und dessen Geschwister ihr eigenes Wappen stiften, die wiederum ihren Vater ausschließen, der noch lebend, wiederum sich ein Wappen stiftet.

Ich lach mich krumm ...

VG Thorsten

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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Tejas552 » 27.11.2020, 08:17

Kaisertreuer2 hat geschrieben:
26.11.2020, 17:33

der Familienname soll noch der Gleiche sein. Immerhin noch etwas, dürfte aber vermutlich auch bald aufgeweicht werden. Wie gesagt, fehlt noch, daß der Vater und dessen Geschwister ihr eigenes Wappen stiften, die wiederum ihren Vater ausschließen, der noch lebend, wiederum sich ein Wappen stiftet.


Das ist sicher alles andere als eine ideale Situation. Trotzdem könnte man auch argumentieren, dass der Bruch in der Familie so unversöhnlich ist, dass nicht mehr von "einer" Familie gesprochen werden kann - trotz desselben Familiennamens. In dem Fall würden zwei unterschiedliche Wappen dieser Realität besser Rechnung tragen als ein gemeinsames Wappen (Familie nicht als biologische Abstammungsgemeinschaft, sondern als soziale Einheit).

Gruss
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Re: Ich brauch eure Hilfe ( Wappen Gruenwald )

Beitrag von Kaisertreuer2 » 28.11.2020, 03:51

Tejas552 hat geschrieben:
27.11.2020, 08:17
...

Trotzdem könnte man auch argumentieren, dass der Bruch in der Familie so unversöhnlich ist, dass nicht mehr von "einer" Familie gesprochen werden kann - trotz desselben Familiennamens. In dem Fall würden zwei unterschiedliche Wappen dieser Realität besser Rechnung tragen als ein gemeinsames Wappen (Familie nicht als biologische Abstammungsgemeinschaft, sondern als soziale Einheit).
...
Die meisten Familien haben über die Jahrhunderte so manchen Streit, aber nach 70 Jahren ist der oftmals vergessen. Ältere Familienangehörige grübeln lange, ja, da war doch was. Zumeist, wenn noch ein paar schriftliche Notizen vorhanden sind oder eine über 70jährige Person sich dunkel entsinnt. Danach ist das zumeist nur noch Geschichte, die kaum noch jemanden interessiert. Darum meine Zweifel, ob hier nun unterschiedliche Wappenführung von nöten ist. Da die Streitpunkte immer wieder auftauchen (Geld/Erbe, Politik, Ehebruch), kann man in Prinzip immer neue Wappen innerhalb einer Familie kreieren.

Wenn man es genau nimmt, wird hier das Wappen nicht zum Einiger einer Familie, sondern zum Spalter auf immer, also das glatte Gegenteil, was wir einst in einem Wappen sahen.

Aber warum soll die Wappenführung eine Ausnahme in der gesellschaftlichen Entwicklung darstellen, wo es immer mehr zu einer Atomisierung der Gesellschaft kommt? Da braucht man sich keinen Illusionen hinzugeben.

VG Thorsten

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