Tejas552 hat geschrieben:(..) In der eigentlichen Früh- und Blütezeit (ich denke Du meinst das 12/13. Jh.) wurde in Tat und Wahrheit vieles nicht auf dem Helm getragen was heute in der Heraldik gang und gäbe ist. Ich denke, man wird wohl keinen Originalhelm mit einem Helmkissen finden. Viele Helmzierden und Verbindungsstücke existieren nur in der Heraldik. Viele heraldische Helmzierden wären kaum montierbar gewesen, oder hätten dann der Turnierpraxis nicht standgehalten.
Dies gilt selbstverständlich auch für Helmkronen. Es gibt vermutlich keinen historischen Helm mit einer Helmkrone aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik. Bekannt ist dies nur von englischen Königen und Prinzen, und diese trugen dazu vermutlich auch den Torse also den Wulst. (Ich habe dazu eine Anfrage ans Royal College of Arms gestartet, aber natürlich noch keine Antwort erhalten).
Auf Stechhelmen sind Wulste eigentlich nicht notwendig. Ich vermute sehr stark, dass es kein einziges Exemplar eines Stechhelms aus der Früh- und Blütezeit der Heraldik gibt, dass eine Wulst aufweist. Ich würde ein solches Exemplar sehr gern sehen wenn es eines gibt (..) ]
Ja, in der Tat: Es gibt
keine historischen Originalhelme aus der Früh-/Blütezeit der Heraldik mit Helmwulst, Helmkrone oder Helmkissen (zumindest sind mir keine bekannt und weder Dirk noch sein Experte konnten bislang eine "alte Praxis" anhand von Originalhelmen belegen). Falls jemand dennoch ein entsprechendes Original-Artefakt kennt, bitte hier vorstellen.
Das Nichtvorhandensein von originalen Artefakten öffnet das Tor für Spekulationen und Hypothesen. Die kann man verifzieren oder falsifizieren, wenn man andere Quellen nutzt. Wenn man also suchen will, was in der Frühzeit des Wappenwesens vermutlich gebräuchlich war, was nicht, empfehle ich, die ältesten Quellen zu nutzen, die wir noch haben. Da sind hauptsächlich Siegel, Wappenrollen/bücher und Literatur (neben ein paar anderen Quellen).
Beispiel:
Man nehme mal die Züricher Wappenrolle (1335/1345 ) in die Hand. Dort werden wir
keinen Helmwulst auf einem Helm finden. Aber: Abbildung 16., 17., 53. ... et cetera
mit Helmkrone, Abbildung 173., 175., 176 ... et cetera
mit Helmkissen (Zählung nach Runge).
Und wenn man die Züricher Wappenrolle durch hat, dann weiter zurück mit Codex Manesse (1304-1340), Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis (1195-1196), Eneasroman (1170-1188) ... und ... und ... und ... das Ergebnis ist meines Wissen immer ähnlich: Nie ein Helmwulst,
nie ein Helmwulst plus Helmkrone -- aber durchaus: hier und dort Helmkrone oder Helmkissen! Wenn man jetzt freundlicherweise noch die ältesten Siegel überblickt, die wir kennen -- meines Wissens, wieder kein Helmwulst, schon gar nicht Helmwulst plus Helmkrone.
Der naheliegende Schluss, den die heraldische Literatur daraus zieht: Helmkrone und Helmkissen sind viel älter und gebräuchlicher, als der Helmwulst. Oder, um mal Scheibelreiter wörtlich zu zitieren:
"Älter als Wulst und heraldische Helmkrone war das Helmkissen."
Vereinzelte Gegenbeispiele, die hier im Diskussionsfaden angeführt werden -- leider bis jetzt "nur" zurück bis 1390/1400 -- fallen gegen die schiere Masse der Abbildungen aus einer viel früheren Zeit --
alle ohne "Helmwulst plus Helmkrone" -- einfach nicht ins Gewicht. Es ist schlichtweg "trumpisch"
, diese Einzelfälle -- alle auf Papier, alle vermutlich "nur" aus Unkenntnis oder einer Geschmacksvorliebe gestaltet -- zu einer "alten Praxis" umzudeuten. Und dabei haben wir noch nicht mal untersucht, ob die Datierung 1390 bis 1400 für die Wenzelsbibel plausibel ist. Man betrachte in diesem Zusammenhang mal das Werk von Heim "Or & Argent". In überzeugender Weise listet Heim Hunderte von Beispielen auf, wo Gold und Silber direkt nebeneinander zusammen in einem Wappen erscheinen. Und dennoch kommt niemand, der sich mit Heraldik auskennt, auf die Idee, diese "alte Praxis" für heraldisch "normal" zu halten. Es sind Ausnahmen wie Helmkrone plus Helmwulst, die nirgendwo "verboten" sind.
Was die Frage anbetrifft, ob man "Helmwulst plus Helmkrone" oder beispielsweise ein "Flugzeug -- was so ziemlich das Gleiche in den Augen tradioneller Heraldkfreunde ist -- in einem Wappen führen und in einer Wappenrolle einträgt -- so bleibt dies den Wappenrollenherausgebern und Wappenstiftern zum Glück heute selber überlassen. Ich sehe nicht, dass es in diesem Zusammenhang irgendwelche Schwierigkeiten gibt. Wenn man so was führen will, bitte, warum nicht, irgendwo findet sich schon eine Wappenrolle, die so ein Wappen einträgt.