unheraldische Wappen

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Markus
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Beitrag von Markus » 22.11.2013, 13:37

Vielleicht hat Heraldik ja etwas mit dem Eislaufen zu tun: Da gibt es doch die Pflicht und die Kür.

Pflicht: Die Einhaltung der heraldischen Regeln.
Kür: Die Gestaltung nach künstlerischen Aspekten.

Wenn beides gelingt haben wir ein perfektes Wappen.

Ob an öffentlichen Einrichtungen Wappen coloriert oder meinetwegen steinsichtig gezeigt werden, hat mit der Einhaltung heraldischer Regeln doch eher wenig zu tun. Tatsächlich stehen hier künstlerische Aspekte im Vordergrund. Allerdings geht es ja in solchen Fällen auch nicht um die Stiftung neuer Wappen, die zunächst einmal dem Regelwerk entsprechen sollten. Mein eigenes Wappen zeige ich auf Briefköpfen i. d. R. in s/w und nur in besonderen Fällen farbig.
Heraldische Grüße
Markus

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zobelrolf
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Beitrag von zobelrolf » 22.11.2013, 19:37

Also, das ist ja wieder so ein Fädchen, da wird man einfach nachdenklich. Die Herolde und Künstler müssen im Mittelalter schon sehr unbedarfte Heraldiker gewesen sein, weil sie die Regeln des 18. Und 19. Jahrhunderts nicht eingehalten haben. Die Berliner Erklärung von 2009 haben sie anscheinend auch nicht gelesen, sonst hätte Heraldik-Wiki nicht so viele „unheraldische“ Beispiele gefunden. Man sollte allen Künstlern des Mittelalters, der Renaissance und des Barock die Qualifikation als Heraldiker absprechen oder noch besser, diese ganze Zeit als unheraldich bezeichnen. Ist aber die Grundlage der Heraldik als Wissenschaft auch die Zeit vor dem 18. Jahrhundert, dann ist logischerweise die Zeit nach dem 18. Jahrhundert unheraldisch! Doch auch darauf werden unsere zeitgenössischen Alleswisser die richtige Antwort haben und ihre geschliffene Diskussionskunst unter Beweis stellen.
Zum Abschluß eine Feststellung: Länder-, Stadt- und Gemeinde-Wappen sind - wenn überhaupt - an chaotische Regeln gebunden, es können Hubschrauber, Zerstörer, Starfighter, Raketen und Regenwürmer, eben alles mögliche verwendet werden und Farbregeln sind flexibelst anwendbar. Diese „heutigen Wappen“ haben daher nichts mit Heraldik zu tun, es sind eigentlich Logos! Doch niemand wagt es dies auszusprechen. Natürlich können solche Logos auch nach den Regeln der Berliner Erklärung von 2009 gestaltet werden, doch dann sollte man das tun, ohne ständig ins Mittelalter zu starren und Vergleiche anzustellen!
zobelrolf
:lol: :roll: :( :P :x

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 22.11.2013, 22:20

@ zobelrolf

Danke :lol:
Wunderbar, ... so ist es :!: :D :lol: :lol: :lol:

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 27.11.2013, 13:11

Das Wappen von Mecklenburg Vorpommern ist ein aus alten Wappen zusammengesetztes Wappen. An anderer Stelle wurde bereits erörtert, dass bei Zusammengesetzten Wappen mit Vierung regelmäßig die „Regel Metall nur an Farbe“ nicht beachtet wurde, wenn die bestehenden Ursprungswappen, die zusammengeführt werden sollten, dies nicht hergegeben haben. Anders ausgedrückt: Für die Zusammensetzung zweier bestehender Wappen zu einer Vierung gibt es keine Farbregel.

Zum albanischen Staatswappen ist zu sagen, dass man sich ohnehin die Frage stellen kann, ob und wo die Farbregel auf die Farbe rot überhaupt angewendet wurde. Im Wappenbuch des heiligen römischen Reichs deutscher Nation zahlreiche Wappen zu finden, bei denen rot an blau oder rot an schwarz gesetzt wurde, ohne dass es hierfür einen zwingenden Grund gegeben hätte -

Der Vatikan beansprucht eine Sonderstellung für sich, wie dies auch hinsichtlich des Wappens der Fall ist, der dem Königreich Jerusalem angedichtet wurde (gold-silber) und hinsichtlich derer Familienwappen, die das letztere in ihren Schild aufgenommen haben. Man könnte auch sagen: In diesem Fall scherte und schert man sich nicht darum, was die Herolde irgendwelcher dahergelaufenen Fürstentümer für heraldisch erachtet haben.

Es gibt ja keine Vorschriften, in denen irgendwelche heraldischen Regeln vorgeschrieben waren, sondern diese wurden irgendwann von irgendwem als Regelmäßigkeiten in der bereits vorhandenen Verwendung der Wappen festgestellt: Und von diesen Regelmäßigkeiten gab und gibt es immer wieder Ausnahmen. Ohne zwingende (!) Normen handelt es sich bei den heraldischen Regeln um eine Tradition oder meinetwegen auch um einen bestimmten Stil.

Der weiße Adler auf weißem Grund wurde zwar schon von Otto zum Wappen Ostfrieslands erkoren, er ist allerdings unproblematisch, weil stilistisch nicht anders zu bewerten als eine Blindprägung. Der Bund macht das auch, dunkelblauer Adler auf hellblauem Grund - dies war, wenn ich mich richtig erinnere bei zahlreichen Pressekonferenzen zu sehen.

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 27.11.2013, 13:12

*versehentlich doppelt, hier gelöscht*

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Jochen
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Beitrag von Jochen » 27.11.2013, 16:56

Es ist fast schon bedauerlich, daß drei Farb-Farbkombinationen anerkanntermaßen als Regelverstöße gelten:

Rot/Blau/Grüne Figur auf Schwarzem Felde (umgekehrt funktioniert das nicht, siehe Albanien).

Dir erste Lektion meines Kunstpaukers in der Sexta war: Farben auf schwarzem Hintergrund kämen viel leuchtender 'raus als auf weißem.

Wir mußten dann bunte Kirchenfenster mit dicken, schwarzen Rahmen malen - und es zeigte sich, daß er recht hatte. Das ist 44 Jahre her - aber mir noch so gegenwärtig, als wäre es gestern gewesen .....

Ich bilde meine Aufrisse daher auch gerne auf schwarzem Hintergrund ab - gut, manch einer mag es als "Funeral Hatchment" auffassen, als das es aber nicht gemeint ist.
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jochen

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Beitrag von zobelrolf » 01.12.2013, 09:33

jetzt geht das Geschwafel mit der RAL-Farbtablette gleich wieder los. Bis jetzt dachte ich auch immer, Turniere hätten am Tag und nicht in Neumondnächten stattgefunden. Ich lerne aber gerne hinzu. Das ändert aber nichts an den Regeln der Heraldikvereine und ihrer Begründung.
zobelrolf

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Jochen
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Beitrag von Jochen » 01.12.2013, 10:06

Hmmm..... "Geschwafel"...?

Interessante Wortwahl...

Kann es sein, daß Erziehung bislang überbewertet wurde ?
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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Beitrag von Markus » 01.12.2013, 14:10

Danke, Jochen, Du warst schneller!

Nochmals sei hier die Bitte vorgetragen, sich an die einfachen Regeln der Nettiquette zu halten. Auch dann ist es möglich, über die Regeln der Heraldik engagiert zu diskutieren.
Heraldische Grüße
Markus

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Beitrag von zobelrolf » 01.12.2013, 19:18

nur bei Ölmalerei ist es guter Rat auf Schwarz(dunkler Untergrund) zu malen. Bei Aquarell oder Guasch ist das nicht zu empfehlen. Die RAL- Tablette wurde noch nicht genannt, ich habe lediglich davor gewarnt, Heraldik jetzt mit RAL zu bereichern. Immer schön an Boden bleiben und den Humor nicht gleich verlieren!
zobelrolf

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Beitrag von zobelrolf » 01.12.2013, 19:39

ich bitte um Entschuldigung, aber ich muß noch etwas losweden. Erst die heutigen Heraldikvereine haben Schwarz zur Farbe gemacht! Im Mittelalter und später war Schwarz ein Pelzwerk und wurde auch so behandelt. Leider kann ich den Namen nicht nennen, ohne Eigenwerbung zu machen, aber in Frankreich wird es noch immer so genannt.
zobelrolf :P :P :P :P

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R1126
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Beitrag von R1126 » 01.12.2013, 21:08

zobelrolf hat geschrieben:Im Mittelalter und später war Schwarz ein Pelzwerk und wurde auch so behandelt.
Das ist sehr interessant. Auf welchen Grundlagen fußt diese These? Damit würden sich eine ganze Reihe "fehlfarbiger" Wappen erklären lassen. Ist diese Information weiter verbreitet? Mir ist sie ehrlich gesagt neu.

Viele Grüße

Ralf
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Beitrag von Estrella » 01.12.2013, 21:14


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Beitrag von zobelrolf » 01.12.2013, 21:46

ja das ist wirklich wahr, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf Gert Oswalt lenken darf "Pelzwerk" ; da Frankreich nicht überzeugen kann.
zobelrolf

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Berlingo
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Beitrag von Berlingo » 02.12.2013, 18:43

zobelrolf hat geschrieben:Erst die heutigen Heraldikvereine haben Schwarz zur Farbe gemacht! Im Mittelalter und später war Schwarz ein Pelzwerk und wurde auch so behandelt
(..)
ja das ist wirklich wahr, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf Gert Oswalt lenken darf "Pelzwerk" ; da Frankreich nicht überzeugen kann.
zobelrolf
hmm ... "wirklich wahr" ist in dem Zusammenhang eine euphemistische Interpretation des entsprechenden Textes. Oswald formuliert es ein bißchen vorsichtiger. Wörtlich heißt es:

"Statt der schwarzen Farbe wurde mitunter ein Zobelfell auf die entsprechende Stelle im Schild genagelt, zum Beispiel in frühen Zeiten beim Wappen der Grafen von Zollern (..) Die Tatsache, daß bereits in der Frühzeit der Heraldik Pelze auf den Wappenschilden angebracht waren, gibt Aufschluß über die eventuelle Entstehung der heraldischen Farben. Da der ursprüngliche Schildschmuck fast immer aus Pelzwerk oder aufgenagelten Leder- oder Pergamentstücken bestand, kann es sich bei der mit der Zeit aufgekommenen Bemalung der Schilde in den meisten Fällen nur um einen gewissen Ersatz für die ursprünglichen Materialien gehandelt haben. Wie sich einst die Befestigung und der Stabilität der Schilde dienenden Eisenbeschläge später in Schildteilungen bzw. Heroldsbilder verwandelten, so könnten nach der Ansicht einiger Heraldiker die Metalle Gold und Silber sowie das Pelzwerk als Ursprünge der heraldischen Ursprünge angesehen werden. "

Ein "wirklich wahrer" Beweis ist das wohl nicht, so leid mir das tut. Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit mal auf ein paar Formulierungen lenken darf, die Oswald verwendet:

1) "Statt der schwarzen Farbe wurde mitunter .." heißt es da -- das bedeutet doch nicht, daß "Schwarz" ein Pelzwerk war oder das Pelzwerk/Zobelfell "vor" der schwarzen Farbe "da" war, sondern das Zobelfell (manchmal) an Stelle der schwarzen Farbe benutzt wurde (womöglich, wenn keine schwarze Farbe zur Hand war).

2) ".. gibt Aufschluß über die eventuelle Entstehung .. " heißt es da -- und das kleine Wort "eventuell" verweist hier nicht etwa auf die "tatsächliche oder wahre Entstehung", sondern nur auf eine "mögliche" (von Tausenden) beziehungsweise auf eine "nicht wirklich gesicherte, nicht wirklich bewiesene Entstehung".

3) ".. kann sich nur gehandelt haben -- heißt es da, was wieder bedeutet, daß sich Oswald "ziemlich" sicher ist, aber eben nicht "wirklich" sicher, sonst hätte er es aktiv formuliert, beispielsweise in der Form: Es handelte sich um ...

4) "... so könnten nach der Ansicht einiger Heraldiker .." -- heißt es da. Beachten Sie den Konjunktiv. Noch stärker kann man es kaum ausdrücken, daß hier nur eine Hypothese (das ist eine unbewiesene Annahme) einiger Autoren im Raum steht, keine "wirklich wahre" Tatsache, wie Sie es formulierten.

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