Wappen der Lengheims - Namens- und Wappenführung um 1600

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spitfire
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Wappen der Lengheims - Namens- und Wappenführung um 1600

Beitrag von spitfire » 29.10.2013, 23:07

Hallo Wappenkundige,

gleich vorab mal meine Frage:
Konnten verheiratete adelige Frauen im 16./17. Jhdt. den Namen des Ehemannes, aber ausschliesslich das Wappen des Vaters führen?

Hintergrund meiner Frage:
Ich habe eine kleine Petschaft, die nach der Form des Wappenschildes und der Handhabe in die Zeit um 1600 datiert.

Bild

Dargestellt ist zweifelsfrei das Wappen der Lengheims, einer 1835 ausgestorbenen österr. Adelsfamilie, die in der Steiermark beträchtlichen Besitz hatte: http://worldhistory.de/wnf/navbar/wnf.php?oid=12232
Bild
Soweit so gut, nur passen die Initialien BVK über dem Wappen nicht zu den Lengheims: Weder ist der letzte Buchstabe ein L, noch gab es in der Familie Männernamen mit B am Anfang.

Es gab jedoch eine Benigna von Lengheim, die um 1570 einen Kaspar von Kuenburg ehelichte. Das ganze ergibt natürlich nur Sinn, wenn sie den Namen des Mannes angenommen hat, aber trotzdem ausschliesslich das Wappen ihrer Familie führte.

Ich würde mich freuen, wenn mir da jemand auf die Sprünge helfen könnte!

Viele Grüße,
spitfire
Zuletzt geändert von spitfire am 30.10.2013, 21:01, insgesamt 1-mal geändert.

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 30.10.2013, 00:32

Vorsicht... und da Sie schon nachgeschaut haben
und sollte Ihre Frage keine befriedigende Antwort finden
...
B - kann auch fuer Titel oder Amt stehen

und

K - fuer Ort, Burg oder Stift - Kirche stehen

... die "eventuellen" Möglichkeiten sind hier viele --- zu viele!

spitfire
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Beitrag von spitfire » 30.10.2013, 10:28

Hallo Frank,

danke für deinen Hinweis. Kennst du ein Beispiel für eine Petschaft, bei der die Buchstaben über dem Schild nicht die Initialien des Besitzers, sondern den Titel wiedergeben? Die mir bekannten Petschaften aus der Zeit beziehen sich alle auf den Namen des Trägers, nicht auf seine Titel. Einige Beispiele:
http://bliestorf.de/geschichte/8.html
http://www.wappenkunde-niedersachsen.de ... appen.html

Viele Grüße,
spitfire

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 30.10.2013, 11:29

Nein, leider bin ich nicht allwissend
...

aber bisher kenne ich nur
- dreier Initialen für Ämter
- zweier Initialen für Namen


und für K - kommt mir Kapfenstein in den Sinn,
dass auch vom Alter passen "könnte"!

---wie gesagt, sollte deine Frage keine zufriedenstellende Antwort finden,
dann wäre das "vielleicht" eine Möglichkeit

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Simplicius
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Re: Wappen der Lengheims - Namens- und Wappenführung um 1600

Beitrag von Simplicius » 30.10.2013, 11:49

spitfire hat geschrieben:Es gab jedoch eine Benigna von Lengheim, die um 1570 einen Kaspar von Kuenburg ehelichte. Das ganze ergibt natürlich nur Sinn, wenn sie den Namen des Mannes angenommen hat, aber trotzdem ausschliesslich das Wappen ihrer Familie führte.
@spitfire, was Sie hier eingangs vermuteten trifft den Nagel sicher auf den Kopf. Kenne selber Beispiele von Frauensiegeln, die in der Umschrift den erheirateten Namen nennen, das Siegelbild jedoch nur das väterliche Wappen zeigt. Ein Indiz ist hier vielleicht auch das Fehlen der Helmzier, wobei natürlich auch Männer mitunter nur mit dem Schild siegeln konnten, das aber in der zur Rede stehenden Zeit, und in diesem Stand schon seltener.

Eine gute Webseite zum Thema Heraldik ist auch die von Michael Göbl, Wien, Text zum Thema beginnend nach der dritten Abbildung,
Über die Siegel, die schon viel früher in Gebrauch waren, und auch von Damen verwendet werden konnten, kamen die Wappen auf die Siegel sowohl der adeligen Damen, als auch der Frauen in der städtischen Gesellschaft, wobei jedoch keine eigenen Wappen, sondern immer nur die Wappen des Vaters bzw. des Ehemannes benützt wurden.

Michael Göbl, Wien, Die Frau und das Wappen im Hl. Römischen Reich und der Habsburger-Monarchie.
Der Autor der Webseite entnimmt das Gustav A. Seyler: Geschichte der Heraldik. Nürnberg 1885-1889, S. 292f. (auch online einsehbar) Mir selber ist allerdings nicht klar, worin genau Seyler den Unterschied sieht, das Wappen des Vaters zu führen, welches aber trotzdem nicht das eigene sein solle. Diese Frage soll aber hier nicht wesentlich sein, wenn, dann hat es wohl etwas mit der rechtlichen Stellung der Frau an sich zu tun.

Ein interessanter Aspekt wäre noch der, dass die Frau sich mitunter entschied, dem Wappen des höheren Standes den Vorzug zu geben, wie es der Historiker, Adelsforscher und Heraldiker Leopold von Ledebur in Ueber die Frauen-Siegel des Deutschen Mittelalters, 1859 schreibt. Allerdings bringt er dort nur Beispiele mit mehreren Wappen, sodass immer beide Partner, aber eben in verschiedener Konstellation auftauchen. Ich denke aber, dass das auch auf die Fälle übertragbar ist, bei denen durch die Frau nur ein Wappen gezeigt wird. Ob es Standesunterschiede in dem zur Rede stehenden Fall gab, kann ich aber nicht erkennen. Ich denke, je nach dem welcher Schild durch die Frau gezeigt wurde, konnte somit einer Beziehung der Vorzug gegeben, oder diejenige Verwandtschaft dokumentiert werden, welche man für etwaige Ansprüche, auch materieller Art, als hilfreich erachtet hatte. Dass konnte auch im Sinne des Gatten geschehen, denke ich.


Grüße

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Beitrag von Claus J.Billet » 30.10.2013, 12:06

grübel ...

hm ..
täusche ich mich jetzt ..
oder ist die oben gezeigte Petschaft
(im Negativ)
http://www.bilderhoster.net/whvw858s.jpg.html
nicht seitenverkehrt zum unten gezeigten Wappen. :?:
http://www.bilderhoster.net/pk2k8rw3.jpg.html
also somit nicht korrekt in der dann geprägten positiven Schild-Darstellung. :?:
... irgendwie komme ich gerade ins Schleudern :oops: :lol:

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Beitrag von Simplicius » 30.10.2013, 12:11

Claus J.Billet hat geschrieben:seitenverkehrt
Das Foto wurde wohl freundlicherweise schon vom Fragesteller gespiegelt.

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 30.10.2013, 12:12

...das ist ganz einfach in "Photoshop"
:!:


-----------------

habe einen "dreier" für den Namen gefunden,
selten aber sie existieren :!:

http://www.verwandten.info/jvi/familien/132-maerk

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 30.10.2013, 12:15

ups

Danke, daran hätte ich denken sollen. :oops: :!:

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Beitrag von spitfire » 30.10.2013, 15:09

@Simplicius: Vielen Dank für deine Ausführungen und die Literaturhinweise! Ich habe die angegebenen Quellen mal durchforstet. Zumindest für die Zeit des Mittelalters war wohl der Regelfall, dass Frauen das Wappen des Gatten und des Vaters führten (in mitunter variierender Wertigkeit/Rangstellung). Ich habe zumindest kein Siegel einer verheirateten Frau gefunden, die nur das Wappen des Vaters ohne das Wappen des Gatten führte.

Vielleicht ist etwas biographischer Hintergrund zu den mutmaßlich relevanten Personen ganz hilfreich:
Benigna v. Lengheim: geb. 1550, 1. Heirat mit Kaspar v. Kuenburg (Jahr unbekannt), keine Kinder, 2. Heirat mit Otto v. Herberstorff 1576, gestorben um 1620
Kaspar v. Kuenburg: geb. 1508, 1. Heirat mit Gertrud v. Aspach (1514-1558), 14 Kinder, 2. Heirat mit B. v. L., gestorben 1570

Da B.v.L. zur Zeit der 1. Heirat wohl noch recht jung war, v. Kuenburg dagegen eher auf dem Zenit seiner Macht gestanden haben dürfte, kann ich mir schlecht vorstellen, dass die junge Ehefrau während der Ehe das Wappen ihres Mannes nicht geführt hat. Allerdings war die nachfolgende Witwenzeit mit 6 Jahren relativ lang. Eventuell stammt die Petschaft aus dieser Zeit.

Vielleicht ist aber auch meine ganze Interpretation falsch. Etwas seltsam kommt mir vor, dass das ‚von‘ als Abkürzung auf der Petschaft auftaucht. Bei den deutschen Petschaften der Zeit wurde dieser Teil immer weggelassen.

Viele Grüße,
spitfire

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Beitrag von Simplicius » 30.10.2013, 18:05

spitfire hat geschrieben:Zumindest für die Zeit des Mittelalters war wohl der Regelfall, dass Frauen das Wappen des Gatten und des Vaters führten (in mitunter variierender Wertigkeit/Rangstellung). Ich habe zumindest kein Siegel einer verheirateten Frau gefunden, die nur das Wappen des Vaters ohne das Wappen des Gatten führte.
@spitfire, der Regelfall war sicher so, wie Sie beobachten.
In Österreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde, Band 2, 1836, S.316, gibt es einen Abschnitt zur Siegelkunde von Eduard Melly,
Die unter den Miscellen stehende Bemerkung in Nr. 67 der österreichischen Zeitschrift über das erste Vorkommen doppelter Wappen bei unsern Edelfrauen veranlaßte die folgenden Andeutungen über österreichische Frauensiegel, welche weit entfernt auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, nur jene Bemerkung berichtigen und Freunden der (noch viel zu wenig gewürdigten) Siegelkunde Veranlassung zu weiterer Nachforschung und Mittheilung geben sollen.

Die österreichischen Frauensiegel theilen sich im Allgemeinen in

1. solche, auf welchen das Wappen des Mannes erscheint;
2. welche das angestammte Wappen führen, und
3. welche Beide vereinigen.

Zur österreichischen Siegelkunde
S. 316 in der rechten Spalte, ab dem 2. Abschnitt, werden nun zahlreiche Fälle aufgelistet, mit Wappen von verheirateten Frauen und Witwen, die mit dem väterlichen Wappen siegeln. Auch wenn Melly seine Beobachtungen selbst als unvollständig beschreibt, sind doch die Angaben zu Schildbildern und Umschriften nicht anzuzweifeln, denke ich. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, sofern es sich bei Ihrem Siegel wirklich um das der Benigna von Lengheim handelt, dass sie es in der Zeit als Witwe verwendete. Das müsste man anhand von Urkunden überprüfen, sofern es welche gibt. Zu Ihrer Beobachtung, dass ein „v“ als Kürzel für „von“ i.d.R. weggelassen worden sei, kann ich nicht viel sagen, weil ich so viele Siegel aus dieser Zeit noch nicht verglichen habe. Allerdings gibt es ja in der übrigen Kunstgeschichte eine Unmenge an Beispielen, von Bauinschriften bis zu Gravuren auf Kirchengerät, wo das Prädikat „von“ häufig mit einem „v“ abgekürzt wurde. Ich wollte nur die Möglichkeit bestätigen, die Sie anfangs einräumten, dass das Siegel auch das einer Frau sein könnte, welches entgegen der Inschrift das väterliche Wappen zeigt. Es gibt aber noch andere Texte bspw. in Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien, Band 2, 1857, wo man sich z.T. auf Ledebur bezieht:
Bei den Damen des niederen Adels in Österreich findet sich der Gebrauch des väterlichen Stammwappens allein ziemlich häufig, und es erscheint dabei in der Umschrift bald der Geschlechtsname des Vaters, bald jener des Gemahls. Von dem höheren Adel Deutschlands erwähnen wir der Elisabeth von Hohenlohe, gebornen Gräfin von Öttingen (anno 1313—1330), welche in ihrem Siegel den Schild von Ottingen führt, in der Umschrift aber sich Elisabeth von Hohenlohe nennt.

Die Siegel der österreichischen Fürstinnen im Mittelalter, von Carl von Sava
Informationen sind wohl auch hier, in neuerer Literatur zu erwarten:
Rheinische Frauensiegel: Zur Rechtlichen Und Sozialen Stellung Weltlicher Frauen Im 13. Und 14. Jahrhundert, Andrea Stieldorf, 1999

Grüße

spitfire
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Beitrag von spitfire » 30.10.2013, 21:25

@Frank Martinoff: Der "Dreier" bei den Initialien war nicht so ungewöhnlich. Das kam wohl vor allem auf die Familie an, ob dort 2 Vornamen üblich waren.
http://www.vogel-soya.de/Adel/BarnerSiegel4.gif

@Simplicus: In den Quellen sind in der Tat viele Beispiele aufgeführt, in denen die verheiratete Frau das Wappen des Vaters und den Namen des Ehemannes geführt hat. Ich denke man kann feststellen, dass diese Variante besonders im niederen Adel üblich und nichts Ungewöhnliches war.

Leider ist das Archiv der Familie Lengheim mit dem Aussterben der Familie 1835 zerstreut bzw. vernichtet worden, lediglich die Regesten des Archivs haben sich erhalten (mit einigen Erwähnungen der o.g. Benigna v. Kuenburg). Die Familie Herberstorff ist auch bereits seit dem 17. Jhdt. ausgestorben, ein Archiv nicht mehr vorhanden. Ein eindeutiger Nachweis wird sich daher leider nicht führen lassen. Aber ich denke es besteht eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich in der Tat um das Wappen der Benigna von Kuenburg geb. Lengheim handelt. Nochmal vielen Dank für Ihre Hilfe, besonders für die Quellenhinweise!

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