Frage zur Vierung / Heraldische Regeln

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Simplicius
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Teil 1 - zum "burggräflichen Wappen" der Raabs

Beitrag von Simplicius » 18.09.2013, 14:45

Gernot hat geschrieben:Schon die Raabs als Vorgänger der Zollern im Nürnberger Burggrafenamt führten als Wappen den Löwen mit gestückten Bord. Dieses Motiv entstand nicht unter den Zollen.

Die Raabs wiederum sollen ihren eigenen Löwenschild vor das älteste Nürnberger Wappen, eine sechsfache rot-silberne Schrägteilung, gestellt haben, woraus der gestückte Bord entstand. Die Zollern übernahmen das Raabswappen als Amtswappen der Burggrafschaft, ein Hauswappen war das nie.
Berlingo hat geschrieben:2. Der Nürnberger Zollern-Löwe (= Wappen derer von Raabs), […]
… und „richtig“, diese Abbildung welche nun auch Berlingo hier oben verlinkt, führen die Autoren der Wikipedia für die von Raabs (12.Jh.) an. Sicher gut gemeint, in frischen Farben und mit zwei sich merkwürdig krümmenden Schwänzen. Aber es lohnt sich immer die Diskussionsseite zu einem Wikipedia-Artikel zu öffnen. Dort schreibt jemand,
“Hat jemand schon einmal ein Wappen der Herren von Raabs gesehen das explizit diesem Adelsgeschlecht zugeordnet ist? Es ist meistens vom Wappen der Burggrafen von Nürnberg die Rede. Das Burggrafenwappen wurde auch von den Zollern bzw. den Hohenzollern in Viererteilung mit dem Zollernwappen geführt nachdem sie das Burggrafenamt übernomen haben. Das ist ja normalerweise als Wappenmehrung zu verstehen....

Ist das Wappen der Burggrafen identisch mit dem Wappen der Herren von Raabs?

Ich habe aus einigen alten Vorlagen ein stilisiertes Burggrafenwappen gezeichnet/zusammengebaut... (Man möge mir die evtl. falschen Farben und Proportionen verzeihen...;o)) Gruß --TECHNOKRAT 17:16, 2. Okt. 2008 (CEST)
Obwohl berechtigterweise auf der Diskussionsseite nach dem Wappen der Herren von Raabs gefragt wird, wird schon einmal ein „Burggrafenwappen“ erstellt, schließlich erscheint es im Wikipedia-Artikel dessen Inhalt mittlerweile auf etlichen Webseiten weiterverlinkt und kopiert wurde. In welcher Literatur aber, die unten auf der besagten Wikipedia-Seite angeführt wird, das Wappen zu finden sein würde, wird nicht erklärt. Zu befürchten ist, dass es dort auch nirgendwo auftaucht. (?) (Übrigens ein häufiges und uferloses Problem bei Wikipedia. Literatur wird zwar nahezu immer angegeben, würde man sich diese aber mit etwas Mühe besorgen, und mit den jeweiligen Artikeln vergleichen, würde man feststellen, dass häufig nicht richtig gelesen, vor allem aber nach eigenem Gutdünken uminterpretiert wurde.) Um aber beim Wappen der Raabs zu bleiben, im Jahrbuch der Herald. Gesellsch. ADLER (Wien 1895), findet sich auf S. 271, unter der genealog. Tabelle dieser Satz,
Auch das Wappen der Raabs ist uns leider nicht bekannt; die Annahme Gebhards [siehe Fußnote], es habe im blauen Feld einen Halbmond über einem Sterne gezeigt, dürfte wohl etwas anzuzweifeln sein. […]

Hugo Gerard Ströhl, Die Wappen der Äbte des Prämonstratenserstifts Geras und Pernegg
Weitere Hinweise könnte man evtl. noch in einem anderen Aufsatz finden, wie: Eine Urkunde des Grafen Konrad von Raabs aus dem Jahre 1175 erschienen in den: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Bd. 31 (1910) S. 112-113




:!: edit - Nachtrag:

Warum es die Annahme überhaupt gibt, dass das Wappen der Grafen von Raabs von den Zollern übernommen worden wäre, könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Historiker und Heraldiker des 19.Jh., Rudolf M. von Stillfried-Alcantara (Stillfried-Rattonitz) in dem Buch Genealogische Geschichte der Burggrafen von Nürnberg, etc. (1843), selber Gedanken dazu anklingen lässt.
[S.4] Dass die Grafen von Retz zu den edelsten Geschlechtern Oesterreichs gehörten ist gewiss; aher zur Erforschung ihrer Abstammung und ihrer Geschlechtsverbindungen fehlen bis jetzt alle heraldischen Hülfsmittel, da noch kein Retzisches Siegel aufzufinden gewesen ist, […]

[S.5] Sodann gehört hierher, dass das Stadtsiegel von Retz, welches einen Löwen zeigt, das alte Babenherger Wappen seyn kann, welches möglicher Weise auch die Grafen von Retz geführt haben. Retz war eine mittelbare Stadt, welche unter der Gerichtsbarkeit der Grafen stand und daher kein eigenes Siegel führte, sondern das ihrer Herren. Der Babenbergische Löwe (schwarz im goldenen Felde), wie ihn auch das Bisthum Bamberg führt, hat die grösste Aehnlichkeit mit dem burggräflich Nürnbergischen; nur die Beizeichen sind verschieden. […]

Nicht unwahrscheinlich ist es daher, dass der Löwe im burggräflichen Wappen von den Retzen herstammt, mit dem Burggrafthume selbst von diesen an die Grafen von Zollern übergegangen und daher ursprünglich der Babenbergische ist. Denn das alte Geschlechtssiegel der Grafen von Zollern ist kein Löwe, sondern ein silbern und schwarz geviertes Schild.

Genealogische Geschichte der Burggrafen von Nürnberg:
Die Burggrafen von Nürnberg im XII. Jahrhundert, Band 1
Rudolf M. von Stillfried-Alcantara
Heinze, 1843
Also zu jener Zeit, wie wohl auch danach (?) wurden keine Siegel und keine Wappen der Grafen von Raabs, (hier als Retz bezeichnet) gefunden. Stillfried-Alcantara „rekonstruiert“ aus dem Stadtwappen von Retz, in dem er den Babenberger Löwen (schwarz in Gold) zu erblicken glaubt, das Wappen der Gff. von Retz (Raabs), in denen er die einstigen Stadtherren sieht. Dieses Wappen, so Stillfried-Alcantara, sollte nun von jenen über die Erbtochter Sophia wegen der Burggrafschaft Nürnberg an die Zollern gekommen sein. Das Stadtwappen von Retz zeigt hingegen noch heute einen goldenen Löwen in Blau (!), der nachweislich auf die Grafen von Rabenswalde zurückgeht. Mich würde einmal interessieren, welche Anhaltspunkte die Autoren der Wikipedia ihrem „Vorschlag“, das Burggrafenwappen der Zollern auch als das der Gff. von Raabs zu betrachten, zugrunde liegen.



Fortsetzung hier unten
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Teil 2 - zur Farbigkeit der/des Löwen der Zollern

Beitrag von Simplicius » 18.09.2013, 14:47

Das Buch Das Wappenwesen von seinem Ursprunge (Seyler, 1890) ist ja auch als Digitalisat einsehbar. S.263 beginnt ein Beitrag über Wappen-Änderung am Beispiel der Siegel und Wappen der Zollern, mit einer Tafel, auf Seite 264 die einige frühe Siegel übersichtlich zusammenstellt. Zu der Farbgebung des älteren Löwen-Wappens muss man aber sagen, dass diese lediglich durch den Zürcher Chorherrn Conrad von Mure beschrieben wurde, wie zu lesen ist, eine farbige Abbildung aus dieser frühen Zeit wohl aber sonst nicht existiert. Zu diesem sogenannten Clipearius Teutonicorum, (1242-49), einer sehr frühen und damit wichtigen Wappenbeschreibung, heißt es:
Der Clipearius Teutonicorum umfasst heute 73 Wappenbeschreibungen, welche sich, dem Range ihrer Träger nach geordnet, mit je zwei Versen, folgen. [...] Wo dem Verfasser die Wappen unbekannt waren, hat er die Phantasie walten lassen und auch Ländern, wie Ungarn, Schwerin, Stettin u. s. w., die zu seiner Zeit schon historische Abzeichen besassen, willkürliche Bilder in den Schild gesetzt. Die Beschreibung ist manchmal ungenau und unvollständig und lässt darauf schließen, dass dem Gedicht eine Wappenrolle zu Grunde lag, die im Unterrichte das Fehlende ersetzen mußte.

Geschichte der heraldischen Kunst in der Schweiz im XII. und XIII. Jahrhundert, von Paul Ganz.
Ob nun also der erste Löwe der Zollern wirklich rot in Silber war, oder aber schon immer schwarz in Gold, und nur mit dem rot-silbern gestückten Bord umgeben wurde, könnte man ja erst einmal dahingestellt lassen. Der Wulst im ersten Siegel (Seyler Abb. No.340) kann zudem nicht eindeutig als Bestandteil des Schildbildes interpretiert werden, zumal die Inschrift innerhalb des letzteren zu sehen ist. Seyler meint (S.265 oben), wenn ich es richtig verstehe, dass für die Burggrafschaft der schwarze Löwe in Gold mit gestücktem rot-silbernen Bord angenommen wurde, und "vermutet" (?) lediglich,
Diese Composition gefiel dem Grafen Friedrich von Zollern — des Burggrafen Bruder — so wohl, dass er das Wappen der Grafschaft Zollern nach jenem Vorbilde umformte. Wir sehen das erneuerte Wappen bereits in einem Siegel (No. 342) des Grafen Friedrich vom Jahre 1241), dann noch einmal 1251 […] Der Löwe ist roth in Silber — das alte Erbwappen der Grafen von Zollern — die Einfassung von Gelb und Schwarz gestückt.
Woher wollte aber Seyler das alles wissen? Er folgert das ja lediglich aus der anderslautenden Beschreibung hinsichtlich der Farbgebung bei Conrad von Mure in seiner Clipearius Teutonicorum, deren Unzuverlässigkeit aber bereits hier oben angedeutet wurde. Auch in folgender Fußnote von Paul Ganz`, im selben Heft der Geschichte der heraldischen Kunst in der Schweiz, klingen Zweifel an: S.181, Fußnote zu Nr. 55,
Wappen der Burggrafen von Nürnberg aus dem Hause Zollern. Die Farben hat Konrad falsch verteilt. Das Wappen ist bekanntlich in gelb ein schwarzer Leu, umgeben von weiß-rot gestücktem Rande, der dem Wappen der alten Herren von Nürnberg entnommen ist. Vergl. Héraut de Gelre, wo dieses Wappen mit Zollern geviertet ist.
(Nur am Rande, auch hier wird durch Paul Ganz auf die „alten Herren von Nürnberg“ verwiesen, womit er wohl die von Raabs meint, deren Wappensiegel man aber gerne einmal gesehen hätte, vermutlich aber nicht existieren. (?) siehe Beitrag oben Teil 1) Aus Siegeln allein lassen sich aber letztlich keine Schlüsse zu den Wappenfarben ziehen. Die später überlieferte Farbgebung des burggräfl. Wappens legt lediglich nahe, dass sie auch schon zuvor vorhanden gewesen sein mochte. Auch die „Anzahl der Löwenschwänze“ würde ich nicht überbewerten, wie man an den Siegeln sehen kann. Neue Abbildungen manifestieren sehr leicht eigene Interpretationen.

Grüße

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