Anfrage zur Deutung eines Insigels von 1386 (Franken)

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Ratler
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Anfrage zur Deutung eines Insigels von 1386 (Franken)

Beitrag von Ratler » 29.04.2011, 18:12

Das Siegel stammt von Heinrich (der) Ratler von Rehau (Oberfranken) von 1386.

http://www.pic-upload.de/view-9777424/152SR_01.jpg.html

Bis dato konnte ich keine weitere Informationen oder (ähnliche) Abbildungen hierzu finden.

(zeitliche und geografische Nähe, ohne Nachweis einer verbindung)
1312 tritt ein Henricus dictus Ratheler als Ministerial Konrads II von Schlüsselberg (Franken) in einer Schenkung an das Kloster Langheim auf.

Freue mich über jeden Hinweis, insbesondere um welche Pflanze es sich handelt und inwieweit sich hieraus eine mögliche Farbgebung vermuten läßt.

Viele Grüße

Thomas

Joachim v. Roy
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Beitrag von Joachim v. Roy » 30.04.2011, 11:05

Hallo Thomas,

ein schönes Wappensiegel des HENRI... RATLER! Was sagt denn die Urkunde vom Jahre 1386 zu diesem Manne aus?

In Mecklenburg und in Vorpommern findet man im 14. Jahrhundert verschiedene Adelsfamilien, die mit – heute schwer bestimmbaren - Bäumen, Pflanzen bzw. mit Teilen davon siegelten. So siegelte zum Beispiel ein von der Insel Rügen stammender HINRICUS STRICEMAN (= Stryzemann) im Jahre 1316 mit zwei schräg übereinander (andreaskreuzförmig) gelegten „Wedeln“, die nahezu identisch sind mit dem mittleren – farnkraut- oder lebensbaumähnlichen - „Wedel“ im Siegel des HEINRICH RATLER.

Wie sich die Wappenfarben im Mittelalter darstellten, ist heute vielfach unbekannt. So haben sich zum Beispiel die pommerschen Adelsfamilien SCHMALENSEE, WOLDEN und ZASTROW seit längerem darauf verständigt, ihr gemeinsames Wappen (= ein entwurzelter Baum mit fünf (1,2,2) Blättern) in den Farben S i l b e r (der Schild) und G r ü n (das Wappenbild) zu führen. Diese Farben (grün-silbern) könnte man auch dem Wappenschild des HEINRICH RATLER zugrunde legen.

Freundliche Grüße vom Rhein

Ratler
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Beitrag von Ratler » 30.04.2011, 12:13

Hallo Joachim v. Roy,

vielen Dank für den Hinweis. Das Siegel hängt an einem Urfehde-Brief, welcher inkl. aller Siegel erhalten geblieben ist.

Am 25. Oktober 1386 verbürgt Erhart v. Sparneck zum Waldstein, Ritter und Friedrich v. Sparneck zum Waldstein, Ritter die Urfehde des Dietrich v. Flurstedt und Helwig v. Flurstedt und des Heinrich Ratler gegen Eger

"Der Heinrich Ratler, der genannt ist der Tramppenheinczel, hat gelobt und gesworen, wider unsern herren den kunig, noch wider die Stat, noch das lande czu Eger, noch wider die irn, die dar inne gesezsen sein, kein untat czu tun mer, und des hat er seinen brief geben, den er noch versigeln scholl mit seinem Insigel und mit des Erhart und Fridreichs von Sparrneck Insigeln". (Heinrich Gradl, Das Buch der Gebrechen am Egerer Schöffengericht)

Noch eine kurze Frage zum Wappenbild. Eventuell könnte man am Ende des rechten oberen Zweigs auch eine Blüte vermuten, die am diagonal (bzw. unten) verlaufenden Stengel beschädigt ist bzw. fehlt?

Vielen Dank im voraus
Beste Grüße

Thomas

Joachim v. Roy
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Beitrag von Joachim v. Roy » 30.04.2011, 14:38

Vielen Dank für die Angaben aus dem Urfehdebrief!

Das Wappen der fränkischen Herren v. SPARNECK, die einst auch in meiner ostpreußischen Heimat ansässig waren,
findet man auch im „Siebmacher“ von 1605: http://www.wappenbuch.de/pages/wappen_1 ... macher.htm

An eine B l ü t e im heraldisch linken Obereck glaube ich nicht. Ich habe die – durchaus ausgewogene - Schildfigur einmal nachgezeichnet: Blüten scheinen mir nicht zum Schildbild gehört zu haben.

MfG

Ratler
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Beitrag von Ratler » 30.04.2011, 19:47

Vielen Dank für Ihre Einschätzung.

hatte natürlich im Vorfeld auch viele Schildfiguren im Internet und weiteren Quellen angeschaut und nichts so richtig vergleichbares gefunden. Meine letzte Einschätzungen waren auch Wedel (Büschel), vielleicht aber auch Lilien in natürlicher Form (Blätterform und die etwas andere Endung im oberen Zweig (evtl. Blütenkelch inkl. Blütenstempel). Bin aber was die Heraldik angeht absoluter Laie.

Insbesondere zur Interpretation als Wedel hätte ich noch eine kurze ergänzende Frage:
Ist es wahrscheinlich, dass sich diese Form der/s der Wedel(s) bei dem Ratler von 1386 eventuell auch als Helmzier wiederholt hat.

Kurz zum Hintergrund meiner Frage:

Ein zweiter genannter Henricus dictus Ratheler tritt etwas früher 1312 auch in Oberfranken (wie schon kurz erwähnt) als "fidelibus" Konrad II von Schlüsselberg auf, von dem aber leider kein Wappen bis dato aufgefunden werden konnte.
Dieser Konrad II hatte insgesamt 26 mit Namen nachgewiesen Dienstmannen:

Zwei von diesen führen als Helmzier sehr ähnlich aussehende Wedel, wie im Schild des Ratler von 1386

Der Stiebar (von Buttenheim) (Siebmacher, abgestorbener bayrischer Adel II, Tafel 64)

Der Christanz (Siebmacher, abgestorbener bayrischer Adel II, Tafel 65)

Könnte man auf Grund der geografischen Nähe und eventuell ähnlicher Wappenbestandteile hieraus von seiten der Heraldik irgendeine Art der Verbindung vermuten (wirklich nur rein theoretisch!)?

Beste Grüße

Thomas

Joachim v. Roy
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Beitrag von Joachim v. Roy » 01.05.2011, 06:55

Hallo Thomas,

an „Lilienstengel“, wie sie als Helmzier auf den alten Siegeln der Fürsten von Rügen erscheinen, würde ich bei dem in Rede stehenden Wappen nicht denken. Nicht auszuschließen wären jedoch – wie bei den längst erloschenen Herren v. LOITZ, den „Fuggern des Nordens“ - grüne Zweige mit je einer grünen Knospe (nicht: „Blüte“) im silbernen Feld.

Welche Helmzier bei Ihrem Siegel „wahrscheinlich“ war, vermag ich nicht zu sagen. Auf dem Helm der fränkischen Herren STIEBAR v. BUTTENHEIM dürften Hahnenfedern und keine pflanzlichen „Wedel“ zu sehen sein, vgl. http://www.wappenbuch.de/pages/wappen_1 ... macher.htm .

Früher glaubte man oft, daß diejenigen Geschlechter, die ein und dasselbe Wappen führten, „eines Stammes“ seien.
Bei näherem Hinschauen findet man jedoch, daß die Familien lediglich aus demselben Raum stammten (wie die von mir oben genannten Herren v. SCHMALENSEE. v. WOLDEN und v. ZASTROW). Daß aber Lehnsmänner oft den Wappenschild
(in modifizierten Farben) bzw. die Helmzier ihrer Lehnsherren führten, ist allgemein bekannt.

Freundliche Grüße zum 1. Mai

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Isenberger Herold
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Beitrag von Isenberger Herold » 01.05.2011, 10:08

Ich fürchte, ich muß mich als Unkenrufer betätigen:

Ich lese auf diesem Siegel:
H E I N R (I?) (V?) . B E T L E R

Der Buchstabe, den ich als "B" lese, hat unten einen Strich, der bei den beiden "R"s in der Umschrift definitiv fehlt. Und ein "A" sehe ich dahinter auch nicht. Ein verwirrtets "E" dagegen wäre gut möglich.

Den "Wedel" interpretiere ich als Palmzweig, und von "gekreuzt" erkenne ich dabei auch nichts. Das ist ein Zweig mit zwei Seitenzweigen.

Ein Palmzweig würde auch gut zu einem "Bettler" passen, wenn man diesen als "Pilger" interpretiert.

Ich fürchte daher, ich muß die unangenehme Frage stellen, ob dieses Siegel denn wirklich einem der gesuchten Vorfahren gehört...

:cry:

Ratler
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Beitrag von Ratler » 01.05.2011, 12:47

Danke für den Hinweis, für mich keinerlei Unkenrufe.

Habe mich bei meinen bisherigen Interpretationen aus drei unterschiedlichen Nennungen eines Ratlers in der Literatur leiten lassen, die immer auf einen Ratler bezugnehmen. Die dazu gehörigen Originale kenne ich nicht. Bei einer konnte ich diesen Urfehdebrief ausfindig machen.

http://www.pic-upload.de/view-9797674/R ... I.jpg.html

Wäre ein interessanter Schreibfehler, den ich aber nicht ausschließen möchte.

Vielleicht hilft ja als Schriftprobe der Fehdebrief weiter.

Wie schon gesagt, ich versuche mit meinem Eintrag in diesem Forum nicht, irgendwelche Theorien aufzustellen, sondern ausschließlich konstruktiv neue Ansätze zu finden.

Beste Grüße

Thomas




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Joachim v. Roy
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Beitrag von Joachim v. Roy » 01.05.2011, 13:18

Zeile 1: „Ich Heinrich Der Ratler Den man nennet Den Tramppenhaintzel ...“
Zeilen 12/13: „... Den ich obgenanter Heinrich Der Ratler ...“

Natürlich ist die Schreibweise „Ratler“ korrekt und der „Bet[t]ler“ nebst „Palmenwedeln“ an den Haaren herbeigezogen.

MfG

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Isenberger Herold
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Beitrag von Isenberger Herold » 01.05.2011, 20:29

Schöne Urkunde!
:)
Ein Schriftvergleich aber leider nicht möglich, da Urkunde und Siegel offenbar nicht den selben Urheber haben. Ist in der Zeit auch nicht weiter überraschend.
Wesentlich ist die Tatsache, daß die Namensform in der Urkunde "Heinreich" lautet, was die Umschrift des Siegels definitiv nicht hergibt. Das ist phonetisch schon ein Unterschied.
Es wäre interessant, hierzu auch die beiden anderen erwähnten Urkunden vorliegen zu haben. Wobei die ältere davon (1312) theoretisch auch eine andere Person (Vater o.Ä.) bezeichnen könnte.
In dieser Urkunde lese ich auch am Wahrscheinlichsten "Ratler". ("Kalter" wäre aber ebenfalls möglich.)
Ich muß nun festhalten, daß Urkunde und Siegel sich in der Namensform im Detail widersprechen. Die einfachste Erklärung hierfür wäre, daß der Mann ein Analphabet mit undeutlicher Aussprache war.
:lol: Leider ist die einfachste Erklärung selten die letztlich richtige.
Es ist aber schon sehr wahrscheinlich, daß er keine der fraglichen Realien selbst angefertigt hat. Ansonsten hätte er wohl doch mehr Sorgfalt an den Tag gelegt.

Leider bedeutet dies auch:
Solange wir die Namensform auf dem Siegel nicht als die Primäre kennen, können wir das auch nicht über das Wappen darauf sagen.

Ein Palmwedel scheint mir aber doch die sinnvollste Deutung frü das vorliegende Bild zu sein. Die meisten anderen Formen sind in ihrer heraldischen Darstellung weiter festgelegt, und ein Palmzweig hat zumindest eine klare Aussage.

zobelrolf
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Beitrag von zobelrolf » 10.05.2011, 17:29

Hallo Thomas,
schaut man sich das Siegel ganz genau an, so stellt man fest, daß sich der Künstler die größte Mühe gegeben hat, den Zweig eines Baumes ( Strauchs) darzustellen, der frische Triebe austreibt. Damit ist die Farbe geklärt, nicht aber die des Schildes. Die Helmzier dazu braucht keinen Bezug zu diesem Zweig zu haben, sie ist beliebig.
Vielleicht ergeben sich in Zukunft noch weitere Erkenntnisse.
Viel Glück.

Ratler
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Beitrag von Ratler » 06.07.2011, 22:13

Hallo Forumsleser,
habe versucht auf Basis der Hinweise das "Namensproblem" weiter einzugrenzen und weitere Quellen herangezogen.
Danach verfestigt sich für mich der Name Ratler, auch wenn die Siegelumschrift Fragen offen läßt.

1384 wir im Egerer Achtbuch v. 1310 ein Hainreich Trampiler, als des Ratlers sun genannt.
1382 der Ratler von Resaw (Rehau) im Buch der Gebrechen 1382, 23.
1386 der Heinrich Ratler, der genannt ist Trammpenheinczel, ebenda 1386, 43
und schließlich die bereits vorgstellte Urfehde als Originalurkunde.

Parallel konnte ich drei, vier weitere Nachweise des Beinamens Ratler zum Ende des 14 Jahrhunderts in der Frankischen Schweiz ausfindig machen.

Bin weiterhin an allen Informationen zum Wappenbild aber auch zum Familiennamen Ratler in Franken interessiert.

Beste Grüße

Thomas

Ratler
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Ratler 1386 - Wappenbild nachbearbeitet

Beitrag von Ratler » 06.01.2012, 23:03

Sehr geehrte Forumsmitglieder,
sollte eigentlich hierzu...

Vorheriger Neueintrag war ein versehen, kann gerne gelöscht werden, sorry....


Habe mir jetzt nach einiger Zeit die Originalaufnahme des Insigels nochmal etwas vergrößert angeschaut und versucht nach Bildbearbeitung (stark vergrößert und bearbeitet) per Lichpause das Wappenbild nachzuzeichnen.
M.E. könnte es auch wie folgt ausgesehen haben... also vielleicht auch wirklich Knospen oder doch kleine Blüten beinhaltet haben.

[img][img]http://www.bilder-hochladen.eu/thumb/IB ... FrS5kW.jpg[/img]

Versuche noch immer, die Pflanze zu identifizieren, falls überhaupt möglich...

Danke für Euer Feedback...

Viele Grüße

Thomas[/img]

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 07.01.2012, 03:37

Isenberger Herold hat geschrieben: Ich lese auf diesem Siegel:
H E I N R (I?) (V?) . B E T L E R

Der Buchstabe, den ich als "B" lese, hat unten einen Strich, der bei den beiden "R"s in der Umschrift definitiv fehlt. Und ein "A" sehe ich dahinter auch nicht. Ein verwirrtets "E" dagegen wäre gut möglich.


:cry:
Wenn das ein B sein soll, wuerde der Untere Bogen des B's direkt in den naechsten Buchstaben reinlaufen,
neben einem R waere vom Platz her ein P moeglich,
dein E kann ich beim besten Willen als solches nicht erkennen!

Wen Du Ihm ein verwirrtes E zuschreibst, musst Du Ihm auch ein verwirrtes R zuschreiben muessen!

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 07.01.2012, 03:48

uebrigens geht die mittlere Linie deines B's nach schraeg unten,
duerfte bei einem B nicht passieren bzw. existieren!

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