Neues "NRW-Wappen"

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Markus
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Neues "NRW-Wappen"

Beitrag von Markus » 28.10.2009, 07:38

Die Rheinische Post berichtet heute auf ihrer Titelseite, dass die Landesregierung ihren Bürgern ein neues "Wappenzeichen" (was immer das auch sein soll) geschenkt habe. Das Machwerk für schlappe 3.925,00 Euro kann hier bestaunt werden: http://www.rp-online.de/

Ich wende mich mit Grauen ab und wünsche allen einen schönen Tag.
Heraldische Grüße
Markus

Vollwappen im Wappenindex Greve:
https://www.familie-greve.de/wappeneint ... &wid=72488

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Christian Ader
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Beitrag von Christian Ader » 28.10.2009, 08:37

"Das neue Wappenzeichen für NRW ist viereckig."

Das ist der Satz des Tages :shock:

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Claus J.Billet
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grummel....

Beitrag von Claus J.Billet » 28.10.2009, 10:52

3.925,00 Euro :?: :twisted:
Einspruch
Das ist kein Wappen, höchstens ein Logo :!:
Hier wurden Steuergelder von einer Verwaltung sinnlos verschwendet :!: :evil:
Kein Wunder geht dieser Staat pleite . :cry:

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 28.10.2009, 11:21

Herr schmeiß Hirn vom Himmel.
Nachdem ich das gesehen habe, ist der Tag gelaufen.
Für den Graphiker und für den Politiker, der für so einen Schrott unser Geld verbrät, wünsche ich mir http://www.sch.ch/schueler/Projektwo200 ... ger__1.jpg

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 28.10.2009, 11:39

Der Entwurf von immer mehr offiziellen und inoffiziellen Varianten ist in NRW scheinbar Mode.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Nor ... Westfalens

Dabei verunklart sich immer weiter, besonders beim Bürger, welches denn nun die Zeichen des Landes sind.

Besieht man sich den Entwurf von Wolfgang Pagenstecher 1880-1953, kann man vielleicht auch verstehen, dass man nach der Jahrtausendwende nach noch sachlicheren Formen sucht.

Modernes Design und heraldische Regeln müssten sich dabei eigentlich nicht widersprechen, - ja im Gegenteil -, könnte ersteres den Charakter der ursprünglichen Wappenkunst Rechnung tragen.
Dabei wäre z.B. eine einheitliche Schildform für alle Bundesländer (wenigstens in einer offiziellen Variante) ein Punkt, der nicht zuletzt eine Art Zusammengehörigkeit dokumentieren würde.

Stattdessen muss man beobachten, dass sich Logos nun in Schildform präsentieren, und Schildinhalte umgefärbt und rumpfartig gar nicht mehr die Bedeutung vermitteln können, die ihnen ursprünglich zugedacht war.

***
Es ist ganz einfach eine kulturelle Angelegenheit.

Wer das Große Buch der Wappenkunst von W. Leonhard kennt, kennt auch vielleicht die Seiten mit den verschiedenen Entwürfen für die Stadt Berlin, oder auch für verschiedene Adlervarianten aus der Zeit der Weimarer- bis zur Bundes-Republik.

Wo sind diese Wettbewerbe heute? – Ich meine, welche Künstler werden denn heute beauftragt?
Der „Grafiker um die Ecke“?
Es ist offensichtlich so, dass dem Sachverhalt eine gewisse Bedeutung nicht mehr beigemessen wird.

Eine Ursache ist wohl auch, dass dem Bürger der Unterschied, bzw. die Entwicklung von aristokratischen Herschersymbolen, zu Zeichen einer mod. Gesellschaft gar nicht mehr bekannt ist, bzw. nicht vermittelt wird.

Volkes Stimme: :wink:
http://www.lawblog.de/index.php/archive ... ferdschen/

Welcher Art war denn der sogenannte Mißbrauch der Symbole?
Welche Folgen hatte dieser denn?
Ist dazu eigentlich etwas bekannt?

Wird einem Logo/Wappen eigentlich mehr Bedeutung beigemessen als einem Stempel oder einer Unterschrift?

Grüße

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Rider
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Beitrag von Rider » 28.10.2009, 11:42

Vielleicht hätten sich die Macher dieses Kunstwerks erst die folgende Strophe, aus einem Gedicht von "Emanuel Geibel", zu Gemüte führen sollen:

"Der Frühling ist ein starker Held,
ein Ritter sondergleichen.
Die rote Ros' im grünen Feld,
das ist sein Wappen und sein Zeichen".

Vielleicht würden sie dann den Unterschied zwischen einem "Wappenzeichen" und einem "Logo" erkennen.
Gruß vom Rider

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 28.10.2009, 12:15

Rider hat geschrieben:...
Mit Verlaub, ungewollt ist ein Klischee dadurch bedient, was ich meinte.
Solange Wappen nur noch auf die Bildchen reduziert werden, die sich die „Rittersleut´“ anhefteten, werden sie in unserer Zeit von einer Art Kitsch-Image nicht wegkommen…

Es ist eine der Ursachen, dass man sich damit nicht mehr ernsthaft auseinandersetzen möchte,
und bietet auch Antrieb, diese Zeichen zu verändern, - weg von herald. Symbolen.

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Rider
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Beitrag von Rider » 28.10.2009, 13:04

wer den Sinngehalt dieser Zeilen als "Kitsch" bezeichnet, der hat m. E. nichts verstanden.

Mit Ihren - mit Verlaub - oft hochgestochenen Ausführungen werden Sie dem Laien die Heraldik nicht näherbringen können. Hier bedarf es zur Einführung in die Materie einfach manchmal der "Klischees", wie:

Gerharnischter Reiter (Ritter in Rüstung) bediente sich zwecks Kenntlichmachung gegenüber Freund und Feind eines Abzeichens. Und dieses war auf seinem Schilde aufgemalt. :wink:
Gruß vom Rider

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 28.10.2009, 15:42

Die Sprache ist das Eine.
Ich finde es besser sich präzise auszudrücken, - das ist mein Versuch.

Die Zeilen oben besingen die Kraft des Frühlings, und zeigen das Bild eines Reckens mit einer Blume die er im „Felde“ führt.

(Womit die Bestandteile Figur und Schild bezeichnet werden, was sicher den Grund für das „Posting“ an dieser Stelle bezeichnet.)

Ich möchte gar nicht die Ästhetik des Verses bestreiten.

Eigentlich wollte ich auch nicht viele Worte darüber verlieren.

***
Das Logo verdrängt eben herald. Darstellungen in verschiedenen Bereichen zusehends,
und das hat seine Ursachen, und liegt auch an den Botschaften, die es vermitteln soll.

Es wäre mir eben zu einfach, immer nur zu wiederholen, dass etwas nicht irgendwelchen Regeln entspricht.

***
Wenn den „Laien“ das Thema interessiert, würde ich mich sogar freuen, wenn er an einer Diskussion teilnähme.

Wenn man in meinem Geschriebenen nur „hochgestochene“ Beiträge sieht, täte mir das Leid.

Padberg Evenboer
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Beitrag von Padberg Evenboer » 28.10.2009, 18:07

Hergenhan hat geschrieben: Wenn den „Laien“ das Thema interessiert, würde ich mich sogar freuen, wenn er an einer Diskussion teilnähme.
Es gibt hier fast nur Laien. 8)

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 30.10.2009, 19:14

An dieser Stelle hat man sich wohl auch schon einmal Gedanken um die Zusammenhänge von Logo und Wappen gemacht:
http://www.pro-heraldica.de/cms/cms/upl ... portas.pdf

Logo und Wappen müssen sich eigentlich nicht ausschließen.
Auch in der Geschichte gab es z.T. eine Parallelität verschiedener Zeichen.
Vgl. Badge / Bilddevisen:



Grüße

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Rider
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Beitrag von Rider » 30.10.2009, 19:48

Wenn ich mir das hier so anschaue, dann kann ich bei aller Liebe keine Parallelität zwischen dem "Logo" und dem "Wappen" erkennen.

http://www.landkreis-landshut.de/Landkr ... appen.aspx

Bei "Bilddevisen" und "Wappen" ist die Parallelität oftmals schon dadurch gegeben, dass das ergänzende persönliche Emblem zum Familienwappen meist aus Motiven desselben bestand. Und diese auch als solche erkennbar waren, was wiederum bei so manchem "Wappenlogo" (s. NRW) nicht der Fall ist.
Gruß vom Rider

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Jochen
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Beitrag von Jochen » 31.10.2009, 10:17

Hergenhan hat geschrieben:An dieser Stelle hat man sich wohl auch schon einmal Gedanken um die Zusammenhänge von Logo und Wappen gemacht:
http://www.pro-heraldica.de/cms/cms/upl ... portas.pdf

Logo und Wappen müssen sich eigentlich nicht ausschließen.
Auch in der Geschichte gab es z.T. eine Parallelität verschiedener Zeichen.
Vgl. Badge / Bilddevisen:



Grüße
Ein hochinteressanter Bericht :!:

Um auch noch ein Logo anzuführen:

voilà http://www.dpma.de/index.html

Es ist möglicherweise nicht ganz leicht als solches zu erkennen.

Und wie man hört, werde es in Bälde wieder gegen das ursprüngliche Symbol ausgetauscht werden (ich will aber nix versprechen....)
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 31.10.2009, 16:16

Rider hat geschrieben:Wenn ich mir das hier so anschaue, dann kann ich bei aller Liebe keine Parallelität zwischen dem "Logo" und dem "Wappen" erkennen. [...]
Mit Parallelität meinte ich oben, dass Logo und Wappen heute gleichzeitig existieren können, so wie es schon in der Geschichte eine Parallelität zwischen weiteren Persönlichkeitszeichen (z.B. Badges/Bilddevisen) und Wappen gab.
Es geht nicht darum, dass es „Parallelen“ im Aussehen beider Symboltypen gäbe.

Sie führen ja selbst ein Logo des Landkreises Landshut an, zu dem es parallel ein Wappen gibt.
(Was für eine Qualität das Logo hat, ist erst einmal nachgeordnet.)
Rider hat geschrieben:Bei "Bilddevisen" und "Wappen" ist die Parallelität oftmals schon dadurch gegeben, dass das ergänzende persönliche Emblem zum Familienwappen meist aus Motiven desselben bestand. Und diese auch als solche erkennbar waren, was wiederum bei so manchem "Wappenlogo" (s. NRW) nicht der Fall ist.
Das stimmt so nicht. Es gibt viele Bilddevisen, bzw. Badges, die sich nicht an den Schildinhalten orientieren.
(Das lag an der Motivation zur Benutzung von Bilddevisen.
Weitere Bsp. dazu finden sich ua. bei O.Neubecker – Stichwort: Fam. Visconti/Sforza)

(Zu denken wäre an die ganze Reihe floraler Embleme wie z.B. Distel → Schotland, Rose → England, Kleeblatt → Irland, oder auch Feuerstahl → Burgund, usw.)

***
Es lohnt sich die Arbeit von Pro-Heraldica einmal zu lesen, wie Jochen bemerkt.

Nun, über verschiedene dort gemachte Aussagen könnte man einmal mehr nachdenken, was aber auf den Punkt gebracht wird ist jedoch, dass durch das Vermischen von Wappen und Logo die Unkenntnis über den Charakter ersterer verwischt wird.

Was wohl nicht angesprochen wurde ist, dass es letztlich eine Frage der Bildung ist, wie ich etwas einschätze.
Habe ich keine Kenntnisse über das Herkommen von Wappen, bleiben mir bei der Einschätzung der Symbole nur noch die formalen Gesichtspunkte.
(das ist schön/gefällt mir – das ist nicht schön/gefällt mir nicht)

Mit „Herkommen“ meine ich nicht zwingend den urspr. Gebrauch auf einem Schild,
sondern den Weg von Person/Familie über Herrschaft zu Landschaft/Region und Gemeinschaft.
Der Gedanke ist, das ein Symbol über versch. gesellschaftliche Formen hinweg immer bestand, und sich nur stilistisch wandelte, bzw. dessen Kern immer beibehalten wurde, und somit heute ein hervorragendes überparteiliches Zeichen darstellen würde.

Da die Mehrheit sich natürlich kaum mit der Herkunft und den Zusammenhängen der Symbole auseinandersetzt, wirkt sich nahezu allein nur der Gebrauch von Wappen, bzw. Logos auf diese Bildung aus.
Da ja, wie man feststellen kann, Logos mit herald. Elementen genauso wie Schildformen mit unheraldischen Inhalten zur Anwendung kommen, kann man gemeinhin Logo und Wappen auch nicht mehr auseinander halten.
Die Tragik, - der kontinuierliche Charakter wird dadurch vermischt mit temporären Aussagen, wodurch das „Polhafte“ des Wappens verschwindet.

(Eine Aussage unserer Zeit?)

Die Forderung, dass beide Symbolformen auf ihre Bereiche beschränkt sein sollten würde ich dabei unterstützen. (S.17)

Was aber für den Fachmann wichtig wäre, ist, dass er auch Menschenkenntnis besitzt.
Ich denke es reicht eben nicht, bei der Argumentation pro Wappen immer wiederholend auf den Ursprung in der Ritterschaft hinzuweisen. Dem gegenüber steht eben auch ein jahrhundertelanger Gebrauch in weiteren Formen.
Das Aufzeigen der Kontinuität mit Entwicklung ist eben ein plausiblerer Grund für ein Beibehalten, als ein gemeinhin eher romantisch aufgefasster Bezug.
(Die Vermittlung dieser Zusammenhänge sähe ich übrigens auch in div. Vereinsarbeiten.)

***
Ergänzend dazu würde ich einmal zu denken geben, dass eine Verrechtlichung, und das Verbot der Verwendung „traditioneller“ Zeichen auch dazu beitragen, dass die Kenntnis um diese immer mehr abnimmt. Wieder denke ich dabei an unsere Nachbarn in der Schweiz, wo es einen rel. unbefangenen Gebrauch „offizieller“ Symbole gibt, ohne dass man „Mißbrauch“ beobachten könnte. (?)
http://www.tagblatt.ch/storage/pic/tbne ... tsn_q5.jpg

Die Wappenfreudigkeit dort ist übrigens kein Zufall. Eine Rolle spielte wohl dabei auch die Schweizerische Landesausstellung 1939 Zürich, mit dem Flaggenwald:
http://www.e-pics.ethz.ch/index/ETHBIB. ... 0_840.html
Auch dazu gibt es einige Informationen bei O.Neubecker.

Um Missbrauch vorzubeugen, wäre es wohl zudem sehr einfach, im Rahmen der herald. Möglichkeiten alternative Darstellungen zu entwickeln.
Letztlich liegt es am kulturellen Verständnis der Verantwortlichen, und damit am kulturellen Bedürfnis der Bürger selbst.

– Und wenn es dieses Bedürfnis nicht gibt?

Grüße

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R1126
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Beitrag von R1126 » 31.10.2009, 20:50

Die Menschen werden ablegen, wass sie als nicht mehr erforderlich oder erhaltenswert erachten. Wenn dies das Schicksal von Landes- und Gemeindewappen ist, so wird es eben seinen Weg gehen. Das kann man beklagen oder versuchen mit (großer) Kraftanstrengung zu verzögern. Logos haben den Vorteil als moderner und flexibler betrachtet zu werden. Wappen gelten oft als "altbacken". Dass eben diese Wappen eine oft jahrhunderte lang währende Tradition besitzen und versinnbildlichen ist selten bekannt und wird auch dann gering geschätzt. Die Wappen gelten als viel unflexibler als ein "schmissiges" Logo.
Es liegt meiner Meinung nach zum großen Teil daran, dass das Interesse an der eigenen Vergangenheit immer mehr abnimmt.
Da sich kommunale Wappen vornehmlich an der Vergangenheit orientieren (ehemalige Herrschaften und Geschlechter), diese Vergangenheit jedoch nur noch wenige kennen oder sich dafür interessieren, ist der logische Schluss, dass die Wappen als Relikt einer vergangenen Zeit empfunden werden.
Diese werden dann ersetzt.

Viele Grüße

Ralf
http://www.illustrationen-wappen.de
De Nihilo Nihil (aus nichts wird nichts)

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