Bedeutung von "Helm"

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Apri
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Beitrag von Apri » 01.05.2006, 08:22

Es ist immer wieder schön etwas als Rechtssatz zu definieren. Ich bin ja der Meinung nur Adlige sollten Neuwappen stiften! :ironie:
MfG

D.Stys

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Claus J.Billet
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hm..

Beitrag von Claus J.Billet » 01.05.2006, 08:32

@ Apri

Wenn Sie es lesen, werden Sie begreifen :!:
Ich gehe doch davon aus, daß Sie als angeblich am Thema interessierter das Handbuch der Heraldik , die "Wappenfibel", besitzen. :?:

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Apri
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Beitrag von Apri » 01.05.2006, 08:42

Hallo Herr Billet,
es ist einfach ein pauschler Satz, der sich auf alles und nichts anwenden lässt. Sicher kann man den Bügelhelm nur für den Adel als eine Meinung akzeptieren. Es beisst sich jedoch mit den Grundsätzen der Heraldik, daher empfinde ich es als weniger verbindlich.
MfG

D.Stys

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Claus J.Billet
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Re: hm...

Beitrag von Claus J.Billet » 01.05.2006, 08:52

Claus J.Billet hat geschrieben:Im übrigen sei jedem Interessiertem empfohlen, die Stellungnahme des Herold in der "Wappenfibel" zu lesen.
Seite 79, Abs. III. 1, 2.
Handbuch der Heraldik, Verlag Degener & Co., Neustadt /Aisch.
ISBN 3-7686-7014-7


Bemerkenswert der letzte Satz im ersten Abschnitt:
Zitat:
Zu allen Zeiten sind Rechtssätze mißachtet worden, ohne daß sie dadurch etwas ausser Kraft gesetzt worden wären. :lol:
@ Apri

Wenn Sie sich die Mühe machen würden, den von mir oben zitierten Abschnitt ( in der "Wappenfibel" , Seite 79 ) genau zu lesen, wäre Ihre letzte Anmerkung bestimmt anders ausgefallen.
Natürlich relativiert der letzte Satz alles geschriebene, ist aber im Konsenz mit dem gesamten Absatz III. zu sehen.

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M. Waas
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Beitrag von M. Waas » 01.05.2006, 09:23

Es gehen hier ein paar Begriffe durcheinander.

Turnierfähig war jeder, der ritterbürtig war, oder zum Ritter, durch "Schwertleite", geschlagen wurde. Ein Ritter gehörte nicht automatisch zum Adel!
Adelige waren demnach nur turnierfähig, wenn Sie:
a) ritterbürtig waren
oder
b) zum Ritter geschlagen wurden.
Die Erhebung eines Menschen in Adelsstand war ein Staatsakt. Der Ritterschlag konnte von jedem anderen Ritter vorgenommen werden.
Der späte Briefadel war meistens nicht ritterbürtig oder scheute auch den Ritterschlag, weil damit die Aufschwörung verbunden war. (Es mußten mindestens 4,6 - später auch 16 Vorfahren Standesgemäß gewesen sein. D.h. als Minimum "Freigeboren" und keiner Leibstrafe unterzogen worden)
Im 16. Jahrhundert wurde durch den Kaiser explizit der Burgunderhelm für den Adel eingeführt, also der offene Visiserhelm. Er hat sich kaum durchgesetzt - zumindest in Deutschland.
Wenn man mittelalterliche Wappenbriefe aufmerksam liest, dann findet man einen Passus, der quasi die Turnierfähigkeit - durch kaiserliche Gnade - verleiht. Dieses wurde aber immer von den Rittern angezweifelt, ob der Kaiser überhaupt rechtlich in der Lage war, durch ein Dokument, die Turnierfähigkeit zu verleihen.
Es bringt also nichts immer wieder diese Diskussionen aufs Tapet zu bringen. Es sei denn derjenige bringt mal eine Quellenangabe, die einer Nachforschung standhält. Es gilt hier nicht die Wappenfibel oder ähnliches, da darin keine Quellen angegeben werden. Dort wird nämlich auch nur wieder etwas rezitiert, was man nur vom Hörensagen kennt. :lol:

@ Claus

Da es in Deutschland nie ein Wappenrecht gegeben hat, kann es auch keine Rechtssätze geben. 8)

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Beitrag von boehm22 » 01.05.2006, 09:43

M. Waas hat geschrieben:Der Ritterschlag konnte von jedem anderen Ritter vorgenommen werden.
Guten Tag nur eine Frage, das Wort an sich " Ritter" heist doch, wen ich mich nicht ganz irre, nichts anderes als bewaffneter Reiter also Soldat auf dem Pferd oder anders rum das Wort " Ritter" kommt von Reiter.
So das es eigentlich nichts anderes wie Kämpfer zu Pferd heisst und auch nichts anderes bedeutet :?:
Viele Grüsse
Andreas Böhm

"Du lebst um Gottes Willen, zu seiner Ehre, für seine Ziele und zu seiner Freude. Wenn du wirklich verstehst, was das bedeutet, wirst du nie wieder das Gefühl haben, klein und unbedeutend zu sein."

A.Lenz
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Beitrag von A.Lenz » 01.05.2006, 09:47

Fazit: Die jeweilige Wappenrolle verfährt bei Eintragungen nach eigenem Gutdünken.

Mit freundlichem Gruß

A.Lenz

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Claus J.Billet
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hm...

Beitrag von Claus J.Billet » 01.05.2006, 09:58

@ M. Waas :lol:

Zitat:
...Da es in Deutschland nie ein Wappenrecht gegeben hat, kann es auch keine Rechtssätze geben.

Richtig,
daher auch der von mir zitierten Schlußsatz in Abschnitt III. aus der "Wappenfibel". :lol: :lol:
Ein Widerspruch in sich selbst :lol:

Mit den von mir genannten Zitaten in den vorigen Beiträgen soll lediglich darauf hingewiesen werden, daß die verschiedenstlichen Auslegungen möglich sind.
Eine grundsätzliche feststehende Regelung gibt es nicht :!: :lol:

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Beitrag von moustache » 01.05.2006, 10:15

..dann mal die nächste Frage: Wenn ich nach intensivem Suchen die Wappenrolle X gefunden habe, die mir mein Wappen mit Bügelhelm einträgt, besteht also durchaus die Möglichkeit daß die Wappenrollen Y und Z dieses registrierte Wappen nicht anerkennen?

Oder entstand durch den Eintrag ein, ja sagen wir mal erschlichenes Recht den Helm zu nutzen und die Eintragung ist rechtskräftig?
have a nice day

gruß moustache

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M. Waas
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Beitrag von M. Waas » 01.05.2006, 10:27

Die Ritterschaft - der Ritter - war ein eigener Stand, also nicht nur einfacher Reiter oder Kämpfer. Das Mittelalter war ständisch.
Also hat der Ritter doch eine andere Bedeutung als eben bewaffneter Reiter. Der Ritter war ein Tenant, ein Verwalter mit oft sehr weitreichenden Vollmachten, Befugnissen und feudalen Rechten. Zur Finanzierung erhielt er dafür ein Feudum, ein Lehen und auf diesem war "Herr" über Leben und Tod. Das ist das geschichtliche Wesen. Unter dem Begriff Ritter versteht man in Deutschland nicht den bewaffneten Reiter, das konnten auch Knappen oder andere Hörige sein, sondern eben den Stand.

Die Eintragung in einer Wappenrolle ist die Registrierung eines einseitigen Rechtsgeschäfts. Es werden nur die formalen Bestandteile eines Wappens geprüft und die Annahme des Wappens durch einen Wappenbrief bestätigt und letzt endlich in einer Wappenrolle registriert.

A.Lenz
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Beitrag von A.Lenz » 01.05.2006, 10:29

moustache hat geschrieben:..dann mal die nächste Frage: Wenn ich nach intensivem Suchen die Wappenrolle X gefunden habe, die mir mein Wappen mit Bügelhelm einträgt, besteht also durchaus die Möglichkeit daß die Wappenrollen Y und Z dieses registrierte Wappen nicht anerkennen?

Oder entstand durch den Eintrag ein, ja sagen wir mal erschlichenes Recht den Helm zu nutzen und die Eintragung ist rechtskräftig?
Hallo moustache,

es ist nun einmal so, daß bestimmte heraldische Vereine einen "Bügelhelm" bei bürgerlichen Wappen nicht haben wollen, und deshalb eine Eintragung in ihre Wappenrolle verweigern.

Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß Sie ihr Wappen jederzeit auch mit Bügelhelm führen dürfen.

Wie Herr Waas bereits anmerkte, gibt es in Deutschland kein Wappenrecht. Deshalb kann Ihnen den Bügelhelm auch niemand verbieten.

Bügelhelm bei bürgerlichen Wappen ist m. E. eher eine Traditionsfrage.

Mit freundlichem Gruß

A.Lenz

moustache
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Beitrag von moustache » 01.05.2006, 10:34

...uups, Bügelhelm in meinem Wappen steht nicht zur Frage. War eher allgemein gedacht. Trotzdem Danke für die Auskunft :wink:
have a nice day

gruß moustache

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GM
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Beitrag von GM » 01.05.2006, 10:54

moustache hat geschrieben:..dann mal die nächste Frage: Wenn ich nach intensivem Suchen die Wappenrolle X gefunden habe, die mir mein Wappen mit Bügelhelm einträgt, besteht also durchaus die Möglichkeit daß die Wappenrollen Y und Z dieses registrierte Wappen nicht anerkennen?

Oder entstand durch den Eintrag ein, ja sagen wir mal erschlichenes Recht den Helm zu nutzen und die Eintragung ist rechtskräftig?
Der Begriff "Wappenrolle" verführt ob seiner Geschichtsträchtigkeit immer wieder dazu, bei ihnen Ordnungs- und Regelungskompetenzen bis hin zum Recht von Wappenerteilung oder -anerkennung zu vermuten.
Dabei sind sie, etwas despektierlich gesprochen, nichts als Kataloge, in denen Wappen, die ein jeder Bürger selbständig annehmen kann, veröffentlich werden. Diese Veröffentlichung dient allein dem Nachweis, daß dieses Wappen geführt wird und entsprechend durch das deutsche Namensrecht als Bestandteil des Namens geschützt ist.
Die Herausgeber dieser "Kataloge", synonym als Wappenrollen bezeichnet, prüfen i.d.R. die eingereichten Wappen auf heraldische Korrektheit. Die Kriterien dieser Prüfung, die "Regeln" der Heraldik, sind, das ist Gegenstand vieler "Fäden" in diesem Forum, leider nicht so klar und verbindlich wie es wünschenswert wäre. Durch verschiedene Auslegungen kommt es dann dazu (aktuelle Diskussion), daß z.B. einige Vereine als Träger der Wappenrollen Bügelhelme für bürgerliche Wappen zulassen, andere nicht.
Da es, wie Herr Waas schon ausführte, in Deutschland nie ein allgemein verbindliches Wappenrecht gegeben hat, kann es auch kein "rechtskräftiges" Wappen geben. Wenn Sie eine Wappenrolle finden, die Ihnen ein Wappen mit rosa Bügelhelm und Micky-Maus-Ohren einträgt und somit Ihre Führung des Wappens dokumentiert, dann kann sich die gesamte Wappenwelt zwar darüber zwar ereifern, einer irgendwie gearteten Anerkennung durch diese bedarf es trotzdem nicht.

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Claus J.Billet
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schmunzel...

Beitrag von Claus J.Billet » 01.05.2006, 13:33

@ Greis-Maibach :lol:

Danke für die treffende Zusammenfassung. :!:
Womit diese Frage wohl endgültig geklärt wäre :!: :lol:

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Beitrag von Guenter Boehm » 02.05.2006, 00:27

M.Waas schreibt:
Der späte Briefadel war meistens nicht ritterbürtig oder scheute auch den Ritterschlag, weil damit die Aufschwörung verbunden war. (Es mußten mindestens 4,6 - später auch 16 Vorfahren Standesgemäß gewesen sein. D.h. als Minimum "Freigeboren" und keiner Leibstrafe unterzogen worden)
Die Ritterschaft - der Ritter - war ein eigener Stand, also nicht nur einfacher Reiter oder Kämpfer. Das Mittelalter war ständisch.
Also hat der Ritter doch eine andere Bedeutung als eben bewaffneter Reiter. Der Ritter war ein Tenant, ein Verwalter mit oft sehr weitreichenden Vollmachten, Befugnissen und feudalen Rechten. Zur Finanzierung erhielt er dafür ein Feudum, ein Lehen und auf diesem war "Herr" über Leben und Tod. Das ist das geschichtliche Wesen. Unter dem Begriff Ritter versteht man in Deutschland nicht den bewaffneten Reiter, das konnten auch Knappen oder andere Hörige sein, sondern eben den Stand.
Herr Waas,
besten Dank für diese richtungsweisenden Erklärungen. Fundierte Geschichtskenntnisse der Region der wappenführenden Familien sind erforderlich, um die Heraldik voll verstehen zu können. Die Heraldik ist eben nicht nur etwas für Wappenbastler.

Viele Grüsse,
Guenter Boehm
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Heraldik und Genealogie
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Wappenbezogene Familienforschung

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